Mikroplastik und die menschliche Gesundheit
27. Juli 2024Mikroplastik-Entfernung spart Wasser, Energie und Kosten
15. August 2024Alltagshelfer Wasserflasche – Mikroplastik in unserem Leben
Auf dem Rad, beim Laufen, beim Fußball, oder als Begleiter für unterwegs. Die Kunststoffflasche ist vom Sport und aus unserem Alltag kaum wegzudenken. Fast auf jeden Foto von Athlet:innen, nicht nur Olympia, Weltmeisterschaften, sondern auch bei Jedermannrennen, im Fitnessstudio oder am Strand zu finden, ist das Versorgungsmedium unseres Körper mit Elektrolyten und Flüssigkeit.
Sie ist ein Mehrwegprodukt. Quetschbar, unkaputtbar, in den meisten Fällen auslaufsicher und dicht. Dazu einfach einsetzbar, wiederverwertbar, oftmals schwer zu reinigen und in den meisten im Dauereinsatz. Doch was machen wir mit unserem Körper, wenn wir aus einer Kunststoffflasche trinken? Wie viel Mikroplastik geht aus der Flasche direkt in den Körper?
Wir haben uns dem Thema angenommen, dass so von Marketingseite vieler Unternehmen gepushed wird und bei dem nach wie vor umfangreiche und vergleichenden Daten zu Mikroplastik Mangelware sind.
Mikroplastik ist überall – und jetzt noch Nanoplastik
Anfang des Jahres 2024 ging es um die Welt. Vielleicht habt ihr auch schon darüber gelesen. Auch Ökotest und die euronews haben darüber berichtet. Es geht um diese Meldungen:
„Studie: Flaschenwasser enthält noch mehr Plastikpartikel als bekannt“. Oder auch: „Wasser in Flaschen enthält 100 Mal mehr Nanopartikel aus Plastik als bisher angenommen“.
Mikroplastik ist ja schon in aller Munde. Als Mikroplastik werden feste und unlösliche synthetische Polymere (Kunststoffe) bezeichnet, die kleiner als fünf Millimeter sind. Mikroplastik gelangt seit Beginn der Massenproduktion von Kunststoffen in den 1950er Jahren unkontrolliert und unkontrollierbar in unsere Umwelt. Als winzige, kam mehr mit dem bloßen Auge sichtbare Masse unterschiedlichster Kunststofftypen findet man sie heterogen verteil in Wasser, Boden und Luft. Die Mikroplastik-Detektion ist bis heute nicht flächendeckend standardisiert, die Datensätze bisher nicht harmonisiert. Jedoch erscheinen immer mehr Publikationen zu Belastungen, aber kaum ein Forscherteam hat methoden- und geräteübergreifend gearbeitet, oder den Gesamtprozess von Probennahme bis Charakterisierung und Fremdkontaminationen ausgeschlossen. Nun kommt schon die nächste Hiobsbotschaft, medial aufbereitet und mit maximaler Verunsicherung daher. Auch Nanoplastik oder Nanokunststoffe sind ein Thema.
Was sind Nanokunststoffe?
Nanokunststoffe sind Partikel mit einer Größe von weniger als einem Mikrometer. Ein Mikrometer ist ein Millionstel eines Meters. Ein menschliches Haar ist etwa 83 Mikrometer breit. Frühere Studien haben sich mit etwas größerem Mikroplastik befasst, das von den sichtbaren 5 Millimetern bis zu einem Mikrometer reicht. Der Studie zufolge wurden in Wasserflaschen etwa 10- bis 100-mal mehr Nanoplastik als Mikroplastik entdeckt.
Nanoplastik aus Wasserflaschen
Ein amerikanisches Forschungsteam hat Anfang 2024 neue erschreckende Zahlen verkündet. Demnach nehmen wir bei jedem Schluck Wasser weitaus mehr Kunststoff auf, als bislang bekannt war. Die Studie, in der eine neue analytische Methode (Einzelpartikel-Imaging mittels SRS-Mikroskopie) zum Einsatz kam, hat ergeben, dass abgefülltes Wasser bis zu 100 Mal mehr winzige Plastikteile enthalten kann als bisher angenommen.
Der durchschnittliche Liter Wasser in Flaschen enthält, so eine Studie von Forschenden der Universitäten Columbia und Rutgers in den USA, eine Viertelmillion Nanoplastikfragmente.
Die Forschenden analysierten fünf Proben von drei gängigen Wasserflaschenmarken und fanden Nanoplastikwerte zwischen 110.000 und 400.000 pro Liter, wobei der Durchschnitt bei etwa 240.000 lag. Ein Großteil des Plastiks scheint aus der Flasche selbst und dem Umkehrosmose-Membranfilter zu stammen, der andere Verunreinigungen fernhält, sagte die Hauptautorin der Studie, Naixin Qian, eine physikalische Chemikerin der Columbia Universität in New York. Sie wollte die drei Marken nicht nennen, weil die Forscher:innen mehr Proben benötigen, bevor sie eine Marke herausgreifen, und weil sie mehr Marken untersuchen wollen. Sie sagte jedoch, dass es sich um gängige Marken handelt, die im US-Supermarkt Walmart gekauft wurden.
Wir hinterfragen die Zahlen und ordnen ein – Mikroplastik-Analytik fängt bei der Probennahme an
Wir haben ja bereits in vielen Blogbeiträgen und auch in unserem letzten Beitrag in den Analytik NEWS darüber berichtet, dass die Detektion nicht erst bei der analytischen Methode beginnt, sondern viel früher, bei der Probennahme.
Demnach sind alle Ergebnisse aus wissenschaftlichen Studien, die nicht bereits bei der Probennahme mit umfangreichen Vergleichs- und Nullmessungen potenzielle Fehler und Kontaminationen ausschließen und wissenschaftlich korrekt durch Mehrfachmessungen untersuchen, in erster Instanz mit einem Fragezeichen zu versehen.
Auch möchten wir an dieser Stelle nochmals darauf hinweisen, das Aussagen, wie: „Im Meer befinden sich Trillionen Partikel“ nicht aussagekräftig sind, sondern nur maximal verunsichernd. Eine Person, die solche Aussagen verfasst, die möchte Aufmerksamkeit, zielt jedoch am eigentlichen Ziel, endlich zu einem Detektionsstandard zu kommen und Handlungsrichtlinien und Gesetze für mehr Wasser ohne Mikroplastik festlegen, vorbei.
Maximale Verunsicherung, durch unklare Kommunikation: Was steckt hinter der Aussage:“Im Meer befinden sich Trillionen von Mikroplastik-Partikeln“?
- Die Zahl ist eine Schätzung.
- Sie repräsentiert eine Meinung, einer Person oder Forschungsgruppe, ist jedoch kein wissenschaftlicher Konsens.
- Der Wert sagt nichts über die eigentliche Belastung des Wassers mit Mikroplastik aus. Sie gibt keine Konzentration an. Hierfür müsste man Trillionen auf die Menge an Meerwasser beziehen. Macht man das, so relativiert sich eine gigantische Zahl (hier: Trillionen), sehr schnell. Denn dann sprechen wir von im Schnitt einem Partikel pro Liter.
Gleiches gilt für die Aussage: „ Eine Kläranlage kann 95% der Mikroplastik-Fracht in drei Reinigungsstufen entfernen“.
Diese Aussage ist ebenfalls maximal irreführend, denn sie suggeriert allen Menschen, dass wir das Thema im Griff haben. 95 % an Mikroplastik werden entfernt klingt ja auch erstmal ziemlich gut. In Noten gesprochen 1-. Also alles wunderbar. Doch….
- kaum eine:r fragt nach, was 95 % in Kilogramm bedeutet.
- kaum eine:r fragt nach was mit dem Mikroplastik passiert. Es kann sich ja nicht in Luft auflösen.
- kaum eine:r gibt den Auftrag raus, dass angeblich entfernte Mikroplastik im Klärschlamm zu suchen und mit den Werten des Eingangswassers und des gereinigten Abwassers zu vergleichen.
Sie fragen sich, warum das so ist? Die Antwort liegt auf der Hand: Weil es mehr als nur eine Messung braucht, um eine qualifizierte Aussage zu treffen und demnach sehr umfangreiche Datenaufzeichnungen notwendig sind, um ein Gesamtbild zu erhalten. Das kostet unmittelbar Geld und dann noch mehr Geld, wenn es um die Umsetzung von Maßnahmen geht, die nach dem Vorsorgeprinzip eingesetzt werden, um die Einträge in die Umwelt zu reduzieren.
Beim Thema Mikroplastik geht es um Transparenz und Klarheit und nicht um mediale Aufmerksamkeit und Marketing.
Eine umfangreiche vergleichende, standarisierte Mikroplastik-Analytik könnte Zahlen hervorbringen, die keine:r zum jetzigen Zeitpunkt hören möchte. Sie könnte Zahlen liefern, die den Druck auf die Entscheider:innen erhöht. Sie könnte aber auch Antworten auf die brennende Frage geben, ob und wie gesundheitsgefährlich Mikroplastik und Nanoplastik sind.
Genau hier hakten die Journalist:innen nach und bekamen diese Antworten:
Die International Bottled Water Association erklärte in einer Stellungnahme: "Derzeit gibt es weder standardisierte [Mess-]Methoden noch einen wissenschaftlichen Konsens über die möglichen gesundheitlichen Auswirkungen von Nano- und Mikroplastikpartikeln. Medienberichte über diese Partikel im Trinkwasser dienen daher nur dazu, die Verbraucher unnötig zu verängstigen."
Der American Chemistry Council, der die Kunststoffhersteller vertritt, lehnte eine sofortige Stellungnahme ab.
Die Zahlen könnten vielleicht zeigen, dass das Problem von Mikroplastik in der Umwelt größer ist als gedacht und die Funktion unserer Kläranlagen überschätzt werden.
Schaut man sich mal den Wasserkreislauf an und an welchen Stellen und an welchen Orten hohe Kontaminationen auftreten und Einträge in die Umwelt stattfinden, dann zeichnet sich ein klares Bild ab:
„Das Abwasser, das die Kläranlagen erreicht, ist immer verschmutzter, immer höher belastet mit Mikroplastik und anderen Mikroschadstoffen.“
Die Trinkwasseraufbereitung und die -bereitstellung in Glasflaschen, PET-Flaschen, als Hahnwasser aus der Hausleitung ist das Endglied einer sehr langen Kette. Um das Trinkwasser zu schützen, müssen wir vorne im Prozess bereits sinnvoll Handeln. In der Industrie, in den Kläranlagen.
Das Verschmutzungsproblem unseres Wassers mit Mikroplastik, Nanoplastik, Nanomaterialien, Mikroschadstoffen, Schwermetallen und dem ganzen weiteren Sammelsurium an unterschiedlichen Chemikalien beginnt vorne in der Prozesskette. In unseren Industrien, in der Produktion, Verarbeitung, Herstellung von Produkten, auch im Recycling.
Und welche positiven Effekte auf die Wasserqualität erreicht werden könnten, wenn frühzeitig Prozessüberwachung, innovative Technologien zur Entfernung von Mikroplastik und Kreislaufwirtschaft Hand in Hand gehen, das zeigen nicht nur wir seit vielen Jahren durch unsere Arbeiten. Auf diesen Zug springen mittlerweile auch Marketing und Vertrieb anderer Anbieter von sogenannten Lösungen auf. Aber die Lösung liegt nicht in der Installation des 17. Filters in unseren Haushalten (die meisten aus Kunststoffen), oder dem Kauf einer neuen Waschmaschine mit innovativem Mikroplastik-Filter (siehe auch unsere Blogbeiträge dazu).
Die Lösungen liegen auf der Hand und kosten weniger als gedacht
Wir (Menschen) können mit unserem Konsumverhalten an Stellschrauben drehen und in der Nutzungsphase von Produkten nachhaltiger handeln. Aber wir können wenig daran ändern, wenn die Märkte mit immer mehr unnnachhaltigen Produkten überschwemmt werden, oder das Marketing der Firmen uns zu sinnlosen Käufen und immer mehr Konsum animiert. Oder wenn uns ein unfassbar großes schlechtes Gewissen suggeriert und eingetrichtert wird, wenn wir eine Maßnahme nicht umsetzen. Es geht nicht darum 50 nachhaltig produzierte T-Shirts mehr im Schrank zu haben, die vielleicht ebenso wenig getragen werden, wie die 5 nicht nachhaltig produzierten T-Shirts. Es geht vielmehr darum, sich selbst zu hinterfragen, ob man Dinge und Produkte wirklich braucht.
„Wenn wir die Turnover-Frequenzen zwischen Kauf, Nutzung, Entsorgung maximal verlängern, betreiben wir aktiven Umweltschutz. Denn ganz ehrlich, es ist nicht so schwer, die Kippe in den Mülleimer zu werfen, statt auf die Straße zu schnippen oder in den Gulli zu werfen. Oder den Müll vom Strand wieder mitzunehmen, statt alles irgendwo liegen zu lassen. Das sind kleine Veränderungen mit maximalem unmittelbarem Impact. Und es tut so gar nicht weh!“
Und nun nochmal zurück zu unserem Wasserflaschen-Test
Da wir selbst leidenschaftliche Sportlerinnen und Sportler sind und innerhalb unserer Kampagne „we […] for water“ seit 2024 mit immer mehr Menschen zusammenarbeiten, um mehr zum Thema globale Mikroplastik-Verschmutzung zu kommunizieren und Daten für die Global Map of Microplastics zu sammeln, haben wir in einem Alltagsforschungsprojekt die Sportflasche in den Fokus gerückt.
Wir haben die Mikroplastik-Freisetzung an zwei Standard-Radflaschen, wie man sie überall kaufen kann, oder in die Hand gedrückt bekommt, ins Trinkwasser darin untersucht. An dieser Stelle ein Hinweis in eigener Sache:
Keine Radflasche wurde kostenfrei zur Verfügung gestellt. Die Studie wurde auch nicht durch namhafte Firmen (Anbieter von Radflaschen) mitfinanziert. Es handelt sich um eine 100% unabhängige und einflussfrei-durchgeführte Studie, die ausschließlich durch eigene Mittel finanziert wurde.
Für unsere Studie haben wir die Flaschen einer Temperatur von 40°C ausgesetzt. Dies ist übrigens die empfohlene Temperatur, wenn es um das Reinigen von Sportflaschen geht. Man sollte vermeiden, dass die Sportflaschen aggressiven Chemikalien über eine längere Zeit, z.B. in Spülmaschinen ausgesetzt sind. Dieser Behandlungsschritt greift massiv die Oberfläche des weichen Kunststoffs an und sorgt somit für kürzere Nutzungsdauern und schnellere Alterung.
Haushaltstipp
Waschen Sie Ihre Sportflaschen mit Hahnwasser, nutzen Sie eine weiche Bürste (nach Möglichkeit ohne Kunststoffborsten) und verzichten Sie auf aggressive Chemikalien. Zitronensäure erfüllt ihren Zweck hier wunderbar.
Wie haben wir analysiert
- Wir haben eine definierte Menge an Wasser in den Flaschen auf 40°C erhitzt.
- Es wurden Proben zum Start des Versuchs (bei 0 min), sowie nach 60 min und 120 min genommen und analysiert.
- Insgesamt wurden 60 Messungen und 24 Blankmessungen (um mögliche Fremdkontaminationen auszuschließen) durchgeführt.
- Die Mikroplastik-Detektion erfolgte mit innovativen Fluoreszenzmarkern und mit Hilfe von Fluoreszenz-Mikroskopie.
- Die neusten Erkenntnisse aus dem Bereich Fehlerquellen-Vermeidung, Standardisierung und Harmonisierung wurden unmittelbar genutzt.
Was kam heraus?
Nur zwei von Messungen langen oberhalb der Blankmessungen. Demnach konnte bei den ausgewählten Radflaschen keine reproduzierbare Migration von Mikroplastik aus der Radflasche ins Trinkwasser beobachtet werden.
Das sind erst einmal gute Nachrichten! An dieser Stelle noch ein Hinweis in eigener Sache: Wenn Sie in Ihrem Sortiment Radflaschen finden, bei denen neben Kunststoffen auch Nanomaterialien (wie anorganische Titan- oder Zink-Verbindungen) verarbeitet wurden, kann es sein, dass sich Nanopartikel aus diesen Verbindungen ins Trinkwasser verirren. Und ob man das will, muss sich jede:r selbst beantworten. Mehr zu diesem Thema finden sich unter anderem auf den Seiten des BUND.