
Organische Phosphonate in Waschmitteln
15. September 2025
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22. September 2025Mikroplastik in Bier und abgefüllten Getränken: Wissenschaftliche Erkenntnisse und Lösungsansätze
Die Allgegenwart von Mikroplastik in unserer Umwelt ist längst kein Geheimnis mehr. Was jedoch viele überrascht: Auch unser Lieblingsgetränk, das Bier, und praktisch alle anderen abgefüllten Getränke enthalten messbare Mengen dieser winzigen Kunststoffpartikel. Aktuelle wissenschaftliche Studien aus den Jahren 2022 bis 2025 zeigen das wahre Ausmaß dieser Kontamination – und decken dabei überraschende Quellen auf.
Die schockierende Realität: Alle Getränke sind betroffen
Eine umfassende Studie der französischen Lebensmittelbehörde ANSES aus dem Jahr 2025 untersuchte verschiedene Getränke und deren Mikroplastikgehalt. Die Ergebnisse waren überraschend: Entgegen der allgemeinen Annahme enthielten Getränke in Glasflaschen die höchsten Mikroplastik-Konzentrationen – teilweise 50-mal mehr als in Plastikflaschen oder Dosen.
Konkrete Zahlen aus aktuellen Studien:
- Bier in Glasflaschen: durchschnittlich 133,7 Partikel pro Liter in kleinen Flaschen
- Limonaden in Glas: 111,6 Partikel/L vs. nur 1,5 Partikel/L in Plastikflaschen
- Cola in Glasflaschen: 103,4 Partikel/L vs. 2,1 Partikel/L in Plastikflaschen
- Flaschenwasser: 240.000 Nano- und Mikroplastik-Partikel pro Liter
Eine internationale Studie aus 2022 untersuchte Biere aus 15 verschiedenen Ländern und fand in allen ProbenMikroplastik-Partikel im Bereich von 20-80 Partikeln pro Milliliter – hauptsächlich bestehend aus Polystyrol (PS) und Polypropylen (PP).
Reinheitsgebot war gestern: Wie Mikroplastik legal ins deutsche Bier gelangt
Die wissenschaftliche Einschätzung von Mikroplastik in deutschen Bieren ist kontrovers. Liebezeit & Liebezeit (2014) analysierten 24 deutsche Biermarken und fanden in allen Proben Kontamination mit:
- Fasern: 2-79 Partikel pro Liter
- Fragmente: 12-109 Partikel pro Liter
- Granulate: 2-66 Partikel pro Liter
Jedoch stellte eine nachfolgende kritische Studie diese Ergebnisse fundamental in Frage: Lachenmeier & Kuballa (2015) konnten die Befunde nicht reproduzieren und argumentierten, dass die gefundenen Partikel größtenteils Laborverunreinigungen waren. Sie kritisierten mehrere methodische Mängel:
- Die verwendete Färbemethode Rose Bengal schließt PVPP fälschlicherweise aus
- Falsch-positive Ergebnisse für natürliche Substanzen wie Stärke
- Keine Differenzierung zwischen Bierproben und Blindproben möglich
- Fehlende validierte Methodik für Mikroplastik-Nachweis in Lebensmitteln
Internationale Evidenz: Globale Studien bestätigen jedoch grundsätzlich die Präsenz von Mikroplastik in Bieren. Li et al. (2022) untersuchten Biere aus 15 Ländern und fanden in allen Proben 20-80 Partikel pro Milliliter, hauptsächlich Polystyrol und Polypropylen. Kosuth et al. (2018) analysierten 12 amerikanische Biere und fanden durchschnittlich 4,05 Partikel pro Liter.
Das Reinheitsgebot als Marketing-Mythos
Die Realität zeigt: Das viel beworbene Reinheitsgebot ist längst zur Marketing-Fiktion geworden. Deutsche Biere enthalten:
- Künstliche Stabilisatoren (PVPP)
- Mikroplastik-Rückstände aus der Produktion
- Kontaminationen aus Verpackung und Transport
- Umwelt-Mikroplastik über das Brauwasser
Naturtrübe Biere sind die einzige Ausnahme: Sie werden nicht gefiltert und enthalten daher kein PVPP – eine Rückkehr zu den ursprünglichen Reinheitsgebot-Prinzipien.
Die überraschende Quelle: Flaschendeckel als Hauptverursacher oder auch: Der Lackabrieb-Effekt
Die ANSES-Forscher konnten eindeutig nachweisen, dass die Hauptquelle der Mikroplastik-Kontamination in Glasflaschen nicht das Glas selbst ist, sondern der Lack auf den Metalldeckeln. Durch Reibung während der Lagerung und des Transports entstehen mikroskopisch kleine Kratzer, die Lackpartikel in das Getränk abgeben.
Der Beweis: Die gefundenen Mikroplastik-Partikel hatten dieselbe chemische Zusammensetzung und Farbe wie der Lack auf den Verschlüssen. Spektroskopische Analysen mittels FTIR bestätigten diese Verbindung eindeutig.
Probleme in der Analytik: Methodische Herausforderungen und die Frage: Warum vergleichbare Daten fehlen
Ein zentrales Problem bei der Erforschung von Mikroplastik in Getränken sind die unterschiedlichen Analysemethoden. Verschiedene Studien verwenden unterschiedliche:
- Partikelgrößendefinitionen (0,1-5000 μm vs. 1-5000 μm)
- Detektionsmethoden (Raman-Spektroskopie, FTIR, Fluoreszenzmikroskopie)
- Probenvorbereitung (verschiedene Filtrations- und Reinigungsverfahren)
- Identifikationskriterien (visuelle vs. spektroskopische Bestätigung)
Das Problem der Vergleichbarkeit
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) bestätigt: Es fehlen noch standardisierte Messmethoden, weshalb derzeit keine zuverlässigen Rückschlüsse auf durchschnittliche Mikroplastik-Gehalte in Lebensmitteln möglich sind. Routinekontrollen sind daher noch nicht umsetzbar.
Eine Studie aus 2024 kritisiert: "Aufgrund fehlender toxikologischer Daten ist es derzeit nicht möglich festzustellen, ob der Konsum solcher Getränke ein Risiko darstellt oder nicht."
Vielfältige Kontaminationsquellen
- Produktionsprozess-bedingte Kontamination
Polyvinylpolypyrrolidon (PVPP): Viele Großbrauereien setzen bewusst dieses Kunststoffgranulat als Stabilisator ein. Obwohl es theoretisch wieder herausgefiltert wird, können technisch unvermeidbare Rückstände verbleiben. PVPP ist als Lebensmittelzusatzstoff E1202 zugelassen.
- Verpackungsbedingte Kontamination
- PET-Flaschen: Direkter Kontakt mit Polyethylenterephthalat führt zur Partikelabgabe
- Flaschendeckel: Lack- und Kunststoffbeschichtungen als Hauptquelle
- Verschlüsse: Plastifizierte Dichtungen geben Partikel ab
- Transport und Lagerung
Flaschenwaschmaschinen stellen einen bisher wenig beachteten Kontaminationspunkt dar. Während des Reinigungs- und Desinfektionsprozesses können:
- Mikroplastik-Partikel aus Reinigungsmitteln und -systemen
- Abrieb von Kunststoffkomponenten der Waschmaschinen
- Kontamination durch nicht ausreichend gereinigte Recycling-Flaschen
auftreten.
- Umweltkontamination
Mikroplastik gelangt auch über das verwendete Brauwasser sowie über die Luft in die Getränke. Studien aus den USA zeigen, dass 81% aller weltweit untersuchten Leitungswasserproben Mikroplastik enthalten, mit durchschnittlich 9,24 Partikeln pro Liter in den USA. In Deutschland ist die Mikroplastik-Belastung des Hahnwassers geringer, da die Anforderungen an die Trinkwasseraufbereitung höher und die Prozesse partikelreduzierend aufgesetzt werden.
Wie kann man den Mikroplastikstrom in die abgefüllten Getränke stoppen?
Mit Wasser 3.0 PE-X® haben wir eine bahnbrechende Lösung entwickelt, die bis zu 95% der Mikroplastik-Partikel aus Wasser entfernen kann. Das Verfahren basiert auf dem Prinzip der Agglomeration-Fixation:
- Hybride Kieselgele werden dem kontaminierten Wasser zugesetzt
- Mikroplastik-Partikel klumpen zusammen zu popcornartigen Aggregaten
- Diese schwimmen an die Oberfläche und können mechanisch abgeschöpft werden
- Keine aufwendigen Filter oder energieintensive Membrantechnologien nötig
Anwendung in der Getränkeindustrie
Die Wasser 3.0 PE-X®-Technologie könnte direkt in Flaschenwaschmaschinen der Getränkeabfüller integriert werden, um:
- Mikroplastik-Partikel aus dem Waschwasser zu entfernen
- Die Kontamination von Glasflaschen während des Reinigungsprozesses zu reduzieren
- Die Gesamtbelastung der abgefüllten Getränke signifikant zu senken
Präventionsmaßnahmen: Sofortige Umsetzbarkeit dank einfachem Reinigungsverfahren
Die ANSES-Studie bewies: Auch
- Druckluft-Reinigung der Flaschendeckel: 60% Reduktion
- Zusätzliche Spülung mit Wasser und Alkohol: weitere 20% Reduktion
können den Mikroplastikanteil im Getränk reduzieren.
Zusätzlich können optimierte Lagerung und Transport sich positiv auf die Mikroplastik-Freisetzung auswirken, denn es kommt zur/zu:
- Vermeidung von Reibung zwischen Flaschendeckeln
- Verbesserter Schutz während Transport und Lagerung
Auch eine Überarbeitung der Lackformulierungen für Verschlüsse sollte mitgedacht werden, wenn man an die zukünftigen Prozesse und Produkte denkt.
Was wichtig ist: Dringende Forschungslücken zeitnah schließen
Trotz der alarmierenden Befunde fehlen immer noch umfassende vergleichende Studien, die:
- Standardisierte Analysemethoden etablieren
- Langzeitgesundheitseffekte untersuchen
- Effektivität verschiedener Präventionsmaßnahmen bewerten
- Kosteneffizienz von Lösungstechnologien analysieren
Für die Entwicklung validierter Analysemethoden, die Durchführung vergleichender Studien und die Implementierung von Lösungstechnologien werden dringend Forschungsgelder benötigt. Nur durch methodisch rigorose, peer-reviewed Forschung können wir über Einzelfälle und Kontroversen hinaus zu belastbaren Erkenntnissen gelangen.
Wir würden eine solche Studie durchführen, doch für eine aussagekräftige Vergleichsstudie werden Early Adopter, Gamechanger oder einfach Macher:innen aus der Getränkeindustrie und Finanzierung benötigt
Fazit: Zwischen wissenschaftlicher Evidenz und methodischen Kontroversen
Die wissenschaftlichen Erkenntnisse zu Mikroplastik in Getränken zeigen ein komplexes und teilweise widersprüchliches Bild. Während internationale Studien konsistent Mikroplastik in Bieren nachweisen, ist die Datenlage für deutsche Biere durch methodische Kontroversen geprägt.
Gesicherte Erkenntnisse:
- Alle getesteten Getränke weltweit enthalten Mikroplastik
- Glasflaschen können überraschenderweise stärker kontaminiert sein als Plastikverpackungen
- Flaschendeckel-Lack ist eine wesentliche Kontaminationsquelle
Das deutsche Reinheitsgebot hat seine ursprüngliche Bedeutung verloren: Durch PVPP und andere zugelassene Zusätze ist Kunststoff im Bier legal geworden, auch wenn die tatsächliche Kontamination wissenschaftlich umstritten bleibt.
Die gute Nachricht: Lösungen existieren bereits. Von kleinen Lösungen mit kleinem, aber feinen Impact bis hin zu innovativen Technologien wie Wasser 3.0 PE-X® stehen wirksame Werkzeuge zur Verfügung.
Dringender Handlungsbedarf: Es fehlen standardisierte, validierte Analysemethoden und ausreichende Finanzmittel für umfassende, vergleichende Studien. Nur durch wissenschaftlich fundierte Datenerhebung können wir das wahre Ausmaß der Kontamination verstehen und wirksame Gegenmaßnahmen entwickeln.
Die Getränkeindustrie steht vor einer Wendemarke: Unternehmen, die jetzt in standardisierte Mikroplastik-Analytikund Präventionsmaßnahmen investieren, werden nicht nur ihrer wissenschaftlichen Verantwortung gerecht, sondern verschaffen sich auch einen Wettbewerbsvorteil in einer zunehmend evidenzbasierten und gesundheitsbewussten Gesellschaft.