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21. April 2023Ist Reifenabrieb wirklich einer der Hauptquellen für Mikroplastik in der Umwelt?
Reifenabriebpartikel (TWP) sind eine, häufig in journalistischen Beiträgen, beschriebene Hauptquelle für den direkten Eintrag von Mikroplastik in die Umwelt. Diese Aussage ist jedoch bisher wissenschaftlich nicht belegt und beruht auf Schätzungen.
Es liegen (Stand heute) keine statistisch verwertbaren Datensätze vor, die das belegen. Dies liegt daran, dass es derzeit keine standardisierte Analysemethode für Reifenabriebpartikel gibt, sodass man nur mit Stichproben arbeiten kann und deswegen nur grobe Anhaltspunkte und Tendenzen über die Menge des emittierten Mikroplastiks existieren.
Eine solche Schätzung besagt jedoch, dass TWP für 30 % der gesamten Mikroplastikemissionen in Deutschland verantwortlich sind. Die Reibung zwischen Reifen und Straßenoberfläche führt zu ihrer Emission. Während große Partikel über den Straßenabfluss in Oberflächengewässer gelangen, können kleinere Partikel auch durch die Atmosphäre transportiert werden.
Verschiedene Faktoren wie das Gewicht des Fahrzeugs, die Fahrweise, der Reifendruck und die Reifenkonstruktion beeinflussen die Abriebrate des Reifens und damit die Menge des emittierten Mikroplastiks.
Was sind Reifenverschleißpartikel?
Ein durchschnittlicher Pkw-Reifen enthält bis zu 25 Verbindungen und bis zu 12 verschiedene Gummimischungen. Dazu gehören sowohl Natur- als auch Synthesekautschuk, Weichmacher, Öle, Metalle, Ruß und andere Verbindungen. Synthetischer Gummi macht etwa 60 % des in Reifen verwendeten Gummis aus.
Beim Fahren, Beschleunigen und Bremsen führt die Reibung zwischen Reifen und Straßenoberfläche zur Emission von Reifenabriebpartikeln (TWP). Wenn der Reifen jedoch mit der Straße in Kontakt kommt, verändern Hitze und Reibung seine chemische und strukturelle Zusammensetzung, indem sie flüchtige Substanzen verdampfen und Straßenbaumaterialien und andere Stäube einschließen, während sie wie ein rollender Schneeball über die Straßenoberfläche rollen.
Die realen TWP sind also ein heterogenes Gemisch aus gummimineralischen Gegenständen und Feinstaub aus anderen verkehrsbedingten Partikeln, z. B. aus Bremsabrieb und der Resuspension von Verschleißpartikeln, die als Reifen- und Straßenabriebpartikel (TRPW) bezeichnet werden. Diese Mischung ist ein kombinierter Schadstoff und besteht nachweislich hauptsächlich aus 50-90 % Gummianteilen und 10-50 % nicht abtrennbaren Straßenoberflächenpartikeln. TWRP sind im Allgemeinen 0,01 bis 0,2 mm groß und haben in der Regel eine längliche, zylindrische Partikelform.
In neueren Studien wurde auch die chemische Zusammensetzung von Reifenlaufflächen untersucht und Hunderte von Chemikalien nachgewiesen, von denen die meisten nicht bekannt sind. Man geht davon aus, dass es sich dabei um Umwandlungsprodukte handelt, die bei der Herstellung oder in der Nutzungsphase von Reifen entstehen.
Da sie direkt in die Umwelt gelangen, werden TRWPs als Mikroplastik des Typs B betrachtet. Ihre Eigenschaften und ihr Verhalten in der Umwelt hängen von der Massenkonzentration, den Partikeleigenschaften (Bestandteile der Reifenlauffläche, Partikeldurchmesser und -dichte) und auch vom Entstehungsprozess ab.
Welche Faktoren haben einen Einfluss auf die Freisetzung von Reifen- und Straßenabriebpartikeln?
Die Menge der freigesetzten TRWPs variiert in Abhängigkeit von mehreren Faktoren wie besipielsweise:
- Klima (z. B. Temperatur, Luftfeuchtigkeit).
- Reifenstruktur und -konstruktion (z. B. Größe, Profiltiefe, Reifendruck, chemische Zusammensetzung, Gesamtkilometerleistung).
- Straßenoberfläche (z. B. Bindemittel wie Bitumen, Porosität, Zustand, Nässe der Straßenoberfläche, Oberflächenstruktur, Gesteinskörnung).
- Fahrzeugeigenschaften (z. B. Gewicht, Lastverteilung, Radeinstellung, Federung, Motorleistung).
- Fahrweise (z. B. Geschwindigkeit, Beschleunigung, Kurvenfahrten oder Bremsen (Häufigkeit und Ausmaß)).
Es wird daher angenommen, dass Elektrofahrzeuge aufgrund ihrer höheren Masse mehr Mikroplastikpartikel (TRWP) aus ihren Reifen emittieren.
Einige Straßenbeläge, insbesondere in Gebieten mit hoher Verkehrsdichte, enthalten polymermodifiziertes Bitumen (PMB). PMB wird verwendet, um die Widerstandsfähigkeit der Straße gegen Risse und Verformungen zu erhöhen, und ist in Ländern wie Australien, China, Dänemark, Norwegen, Russland, Schweden und dem Vereinigten Königreich weit verbreitet. PMB beeinflusst auch die Freisetzung von Straßenabriebpartikeln und die Gesamtfreisetzung von Gummipartikeln. Weitere Faktoren sind das Verhältnis zwischen Personen- und Lastkraftwagen und die Verwendung von Spikereifen.
Warum sind Reifenabriebpartikel ein Problem?
Ein durchschnittlicher Autoreifen verliert etwa 10-30 % der Lauffläche, was bei einer Lebensdauer von 20.000-50.000 km einer Masse von etwa 1,5 kg entspricht. Diese Millionen von Reifenabriebpartikeln werden über verschiedene Wege in die Umwelt freigesetzt. Die meisten groben Partikel werden in der Regel in den Böden am Straßenrand abgelagert. Kleinere, feinere Partikel werden in der Regel durch Regen und Straßenabfluss in Regenwassersysteme und Oberflächengewässer transportiert (wo sie giftige Chemikalien in die Umwelt auslaugen können) oder können durch die Luft in die Atmosphäre gelangen. TRWPs gelten als Hauptfaktor für die Menge an Feinstaub (PM) in der Luft.
In einer Studie wurden in Bodenproben entlang einer stark befahrenen Straße durchschnittlich 372 ± 50 Reifenfragmente pro kg Trockengewicht gefunden, während Straßenstaubproben 515 ± 20 pro kg Trockengewicht enthielten. Darüber hinaus wurde festgestellt, dass 30 Vol.-% des in Flüssen, Seen und Ozeanen gefundenen Mikroplastiks aus Reifenabrieb besteht.
Sobald diese Partikel in der Umwelt verteilt sind, können sie sowohl lokal als auch global erhebliche schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit und die Umwelt haben.
Wie können Mikroplastik-Partikel detektiert und entfernt werden?
Aufgrund fehlender Messdaten ist die tatsächlich emittierte Menge an TRWPs nicht bekannt und kann wie bereits erwähnt nur grob geschätzt werden. Häufig werden die jährlichen Emissionen auf der Grundlage von Emissionsfaktoren wie der Masse des erzeugten Reifenabriebs pro Fahrzeug und Kilometer und einer geschätzten jährlichen Fahrleistung oder auf der Grundlage des Reifenverbrauchs und des geschätzten jährlichen Gewichtsverlusts durch Abrieb geschätzt.
Die Fähigkeit, TRWPs in Umweltproben zu identifizieren, ist eine Herausforderung, da die chemische Zusammensetzung sehr komplex ist und zwischen verschiedenen Reifen stark variiert. Dies macht es auch schwierig, Marker für eine zuverlässige Quantifizierung in der Massenspektrometrie zu entwickeln, während Standard-Techniken der Spektroskopie, die in der Mikroplastikforschung verwendet werden, wie z. B. die Raman-Mikroskopie, aufgrund der Eigenschaften der schwarzen Partikel oft eine Herausforderung darstellen. Und obwohl mehrere verschiedene Analysemethoden zur Quantifizierung von TWP in der Umwelt eingesetzt wurden, gibt es nach wie vor verschiedene Herausforderungen bei der Entwicklung einer robusten Methodik, weshalb noch kein standardisierter Ansatz festgelegt werden konnte. Daher sind die Ergebnisse verschiedener Studien nicht vergleichbar und die Umsetzung von Vorschriften verzögert sich.
Weitere Studien zu den Auswirkungen von Straßenmerkmalen (z. B. Bindemittel und Zuschlagstoffe, Straßengeometrie, Oberflächen-Rauigkeit, klimatische Bedingungen usw.), den Abriebraten verschiedener Straßenbeläge und den Wegen, über die TRWP in die Umwelt gelangen (z. B. Entwässerungsinfrastruktur, Regenwasserleitungen, Kläranlagen usw.), sollten untersucht werden. Das Verständnis dieser Pfade ist wichtig, um die Hotspots der TRWP-Verschmutzung zu verstehen, um so die geeigneten Maßnahmen zur Eindämmung bestimmen zu können.
Fortschritte bei der Reduzierung von Reifenabriebpartikeln - als Eintragsquelle für Mikroplastik in die Umwelt
Am 1. Mai 2021 trat die EU-Reifenkennzeichnungsverordnung in Kraft. Sie befasst sich mit Reifenabrieb als eine bedeutende Quelle von Mikroplastik, und die "Europäische Strategie für Kunststoffe in einer Kreislaufwirtschaft" unterstreicht die Notwendigkeit, die unbeabsichtigte Freisetzung von Mikroplastik aus Reifen zu bekämpfen. Sie erkennt auch an, dass Mikroplastik sowohl für die Umwelt als auch für die menschliche Gesundheit schädlich ist. Daher wurde eine Kennzeichnungspflicht für die Abriebrate von Reifen und eine Mindestanforderung für Reifen eingeführt. Da es jedoch keine geeignete Prüfmethode zur Messung des Reifenabriebs und der Laufleistung gibt, wurden keine Vorschriften erlassen.
Ein standardisiertes und effektives Prüfverfahren ist daher von entscheidender Bedeutung, um endlich wirksame Normen und Vorschriften einführen zu können, die die Industrie dazu verpflichten, sich mit dem Reifendesign auseinanderzusetzen.
Die Einführung von Vorschriften zur Kennzeichnung des Reifenabriebs allein reicht jedoch nicht aus. Es werden mehr Daten über die Auswirkungen der Reifen- und Straßenbelagskonstruktion auf die Freisetzung von TRWPs benötigt, um zu verstehen, wo Abhilfemaßnahmen am wirksamsten sein können. Außerdem ist ein ganzheitlicher Ansatz erforderlich, der neben innovativen Technologien auch Aufklärung und gesellschaftliches Verhalten einschließt, sowie ein Verständnis für die umfassenderen Auswirkungen z. B. der Verwendung von mehr Naturkautschuk in Reifen, da dies zur Abholzung kritischer und empfindlicher Ökosysteme führen kann.
Neben der Gestaltung von Reifen und Straßenbelägen gibt es also weitere Möglichkeiten, TRWPs wirksam zu reduzieren:
- Verringerung der Gesamtfahrleistung
- Zu Fuß gehen, öffentliche Verkehrsmittel benutzen oder mit dem Fahrrad fahren.
- Berücksichtigung des Fahrverhaltens.
- Reduzieren der Geschwindigkeit, Bremsen, Beschleunigen
- Entscheiden Sie sich für den Einsatz kleinerer Fahrzeuge.
Der Wissenstransfer und die Kommunikation sollten erleichtert werden, um die am besten geeigneten und nachhaltigsten Lösungen, Maßnahmen der Interessengruppen und Strategien für die Zukunft zu ermitteln.
Wie wir das Problem von Mikroplastik durch Reifenabrieb angehen möchten
Ohne verifizierbare Daten sind wir nur unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Meinungen. Daher ist eine standardisierte Analysemethode für den Detektions- und Überwachungsprozess von TRWPs, gemeinsam mit weiterer Forschung über ihre Massenströme in der Umwelt und die Auswirkungen verschiedener Parameter auf ihre Emissionsrate notwendig.
Wasser 3.0 forscht und arbeitet derzeit an der Entwicklung eines neuen Fluoreszenzfarbstoffs zur Markierung und zum Detektieren von Reifenabriebpartikeln in der Umwelt. Dies ist ein entscheidender Schritt zur Umsetzung und Entwicklung wirksamer Vorschriften und Normen, um die unbeabsichtigte Freisetzung von Mikroplastik zu verhindern.
Ungefähr 31 % der TRWP gelangen in Regenwassersysteme und damit in Kläranlagen, wo ihre Entfernung ebenfalls gezielt erfolgen muss. Dies erfordert fundierte Kenntnisse über die Effizienz verschiedener Entfernungstechniken. Wir entwickeln entsprechende Methoden zur Entfernung von Reifenabrieb aus Gewässern und zur Vermeidung von Emissionen aus dem Straßenabfluss.
Um die unbeabsichtigte Freisetzung von Mikroplastik in die Umwelt spürbar zu verringern, muss ein ganzheitlicher Ansatz verfolgt werden, der alle Aspekte berücksichtigt, z. B. standardisierte Überwachung und Detektion für zuverlässige und vergleichbare Ergebnisse zu TRWP-Emissionen und -Massenströmen, Auswirkungen des Reifen- und Straßendesigns, Entfernungseffizienzen, Auswirkungen politischer Instrumente und Vorschriften sowie Wissensaustausch und transparente Kommunikation. Wir suchen Projektpartner, die uns bei der transparenten Erforschung des Nachweises von TRWP und innovativer Technologien zur Bekämpfung ihrer Freisetzung unterstützen.
Und was ist nun die Antwort auf die Titelfrage: Ist Mikroplastik durch Reifenabrieb eine der Hauptquellen für Mikroplastik in die Umwelt?
Die Antwort kurz und knapp: Wir wissen es (noch) nicht. Aber Sie können uns beim Daten erheben unterstützen mit Spenden und Sponsoring, Jeder Euro wandert unmittelbar in unsere Forschung und in die Datentransparenz. Machen Sie mit.