Unser Blog über Wasser ohne Mikroplastik
8. April 2024Wasser-Selbstverständnis vs. Realität
17. Juni 2024Es ist vollbracht: EU-Kommunalabwasserrichtlinie seit April beschlossene Sache.
Die EU-Kommunalabwasserrichtlinie (kurz KARL) wurde Anfang April 2024 im Europäischen Parlament verabschiedet. Es geht unter anderem darum, Mikroplastik und Mikroschadstoffe aus unserem Abwasser zu entfernen und übergeordnet die Effizienz von Kläranlagen kostengünstig zu steigern. Schlagwörter sind auch hier: Ressourcenschonung, Wasserqualität, Kreislaufwirtschaft, Energieeffizienz und Nachhaltigkeit. Doch wie ist der Fahrplan hierzu? Wir haben mal die Wasser 3.0 Perspektive eingenommen.
Novellierung der EU-Kommunalabwasserrichtlinie (KARL): Kleine Schritte für sauberes Wasser
Ein großes Ziel der Europäischen Kommunalabwasser-Richtlinie 91/271/EWG ist es, die Umwelt vor schädlichen Einwirkungen durch nicht ausreichend gereinigtes kommunales Abwasser zu schützen. Um dies zu erreichen, stellt die EU-Richtlinie Anforderungen an die Mitgliedstaaten. Diese umfassen neben dem Sammeln und Reinigen von Abwasser aus Siedlungsgebieten einer bestimmten Größe, auch die umfangreiche Datenerfassung und Neuplanung der sogenannten 4. Reinigungsstufe zur Entfernung von Mikroschadstoffe.
Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, der EU-Kommission regelmäßig über den Stand der Umsetzung der Anforderungen der Richtlinie zu berichten. Die Neufassung justiert nun nach.
Die Novellierung der EU-Kommunalabwasserrichtlinie (kurz KARL) wurde im April 2024 mit 481 Stimmen dafür und 79 Stimmen dagegen sowie 26 Enthaltungen im Europäischen Parlament verabschiedet. Konkret bedeute dies, dass für die kommunalen Kläranlagen enorme neue Herausforderungen auftauchen werden, obwohl an vielen Orten die alten Herausforderungen hinsichtlich der globalen Entwicklungen im Bereich Klima- und Wasserschutzes noch nicht gelöst sind. Ein Grund mehr, dass wir als gemeinnütziges Unternehmen unsere Hilfe anbieten. Für sauberes Wasser und mehr Wasser ohne Mikroplastik.
Aus unserem Blickwinkel: Was steckt hinter KARL?
Unsere großen Anknüpfungspunkte sind im Bereich 4. Reinigungsstufe, 4. Reinigungsstufe plus, Wasser-Wiederverwertung (reuse) und Detektionsstandards. Bedenkt man, dass alle Kläranlagen größer 150.000 EW bis 2045 eine 4. Reinigungsstufe erhalten sollen, bedeutet dies auch, dass man sich erstmal den Überblick über die tatsächlichen Belastungen verschafft, bevor die Planungen für den Ausbau anfangen. Gleiches gilt für alle Kläranlagen größer als 10.000 EW, die nach einer Risikobewertung ein besonderes Risiko darstellen, z.B. sind dies die Kläranlagen, die ihr gereinigtes Abwasser in Gewässer zur Trinkwassernutzung einleiten. Neben Mikroschadstoff-Analytik mit erweitertem Monitoring von sogenannten Pathogenen, Antibiotikaresistenzen und PFAS, rückt auch die Mikroplastik-Analytik in den Vordergrund.
Faktor Unsicherheit: Die Analytik hinkt hinterher – während planlos geplant wird
Daten werden seit mehr als 20 Jahren zur Mikroschadstoff-Belastung in Abwässern und Gewässern aufgezeichnet. Mal mehr, mal weniger – eher situativ und aufgrund des Mangels an Standards, vergleichenden Daten und fehlender Datenharmonisierung auch immer nur als einzelne Werte zu einzelnen Ereignissen –selten kontinuierlich, überhaupt nicht flächendeckend und schon gar vergleichend.
Die analytischen Verfahren wurden weiterentwickelt, DIN-Normen nicht.
Keiner weiß so recht, was er oder sie tun soll, weil die Analytik der EU-Kommunalabwasserrichtlinie hinterherhinkt. Es ist schön, dass man ins Handeln kommt, doch mit einem analytischen Blindflug ergibt das wenig Sinn. Gerade im Bereich der kontinuierlichen Datenerfassung für Mikroschadstoffe und Mikroplastik tummeln sich viele traditionelle, aber auch viele neue Unternehmen, die am Schließen von Lücken arbeiten. Das jedoch die meisten analytischen Entwicklungen bis dato nicht untereinander vergleichbare Werte liefern, macht jegliches Handeln kompliziert.
Genaugenommen ist es so, dass es derzeit nicht möglich ist, Geräte- und Verfahrensunabhängig zu Daten zu kommen, die in einem KI-gesteuerten Prozess (= Datenharmonisierungen) zu Vergleichbarkeit führen. Wir haben viele Jahre lang in diesen Bereich in Paralleluniversen entwickelt, jetzt soll eine EU-Kommunalabwasserrichtlinie das zusammenbringen, was nicht zusammenpasst. Klingt schwierig? Ist es auch.
Erweiterte Abwasseranalytik für mehr Daten, Transparenz und sinnvolle Anlagenplanung
Hinzukommt, dass viele Kläranlagen bereits heute vor großen Herausforderungen stehen. Die Verschmutzungsparameter werden komplexer, die Kläranlagen erreichen ihre Limits innerhalb der drei Reinigungsstufen. Die Überwachung und Gewährleistung der Wasserqualität werden umfangreicher und teurer.
Doch welche Informationen brauchen die Abwassertechniker:innen für eine sinnvolle Datenerhebung? Welche Informationen brauchen die Menschen, die die Ausschreibungen für die Kläranlagen verfassen? Welche Informationen brauchen die Entscheider:innen?
Bis 2045 ist prinzipiell noch Zeit hin und einige der heutigen Entscheider:innen sind dann sicherlich nicht mehr im Amt, was aber wenn wir euch zeigen, wie die erweiterte Abwasseranalytik aussieht, wie man von Daten zu Werten und in sinnvolles Planen und Handeln kommt?
Wie kann man die Reinigungsleistung kommunaler Kläranlagen steigern, ohne Abwassergebühren massiv anzuheben?
Nach aktuellem Stand der Daten können die derzeitigen drei Reinigungsstufen in den meisten deutschen Kläranlagen nicht den komplexen Cocktail an Mikroschadstoffen und Mikroplastik beherrschen. Die gereinigten Abwässer enthalten teilweise immer noch große Schadstofffrachten, die ungehindert in unsere Gewässer gespült werden. Danach setzt oftmals die Selbsthilfe unserer Umwelt ein. Einige Stoffe werden durch natürliche Prozesse (UV-Strahlung, Mikroorganismen etc.) abgebaut. Jedoch verbleiben die sogenannten persistenten Stoffe, darunter PFAS, Phosphonate oder auch Mikroplastik in der Umwelt verteilen sich so immer weiter.
Das Resultat ist: Die Konzentrationen nehmen immer weiter zu. Doch das muss nicht sein. Der Schlüssel ist eine vollumfängliche Analyse und Planung entlang der Anforderungsprofile. Es geht um Adaptivität und Optimierung. Es geht um Variabilität und Flexibilität. „Viel hilft viel und je größer, desto besser“ galt früher als ein Credo in der Abwasserreinigung, doch heute brechen diese alten Denkmuster vermehrt auf und wir sehen uns (ohne uns zu viel selbst zu loben) in der Lage und Position hier weiter voranzuschreiten – als echte Changemaker und Rolemodels.
Was machen wir?
Gemeinsam steigen wir im Bereich der Analytik ein. Wir analysieren die allgemeine und spezielle Schadstoffbelastung des Abwassers und ermitteln die Potenziale und Hebel für die Steigerung der Effizienz und Reinigungsleistung der Prozesse.
Auf Grundlage der 4. Reinigungsstufe plus erstellen wir ein kostengünstiges Konzept zur Entfernung von Mikroschadstoffen und Mikroplastik. Um Klärschlamm z.B. als Dünger einzusetzen, braucht dieser eine sehr gute Qualität ohne Schadstoffbelastung durch Schwermetalle, Mikroschadstoffe oder Mikroplastik. In Deutschland ist die Ausbringung zwar verboten, in vielen anderen Ländern dieser Welt nach wie vor gängige Praxis.
Hier setzen unsere reuse Konzepte an. Wir schließen Kreisläufe und wirken an der Reduzierung des gesamten CO2-Fußabdrucks der kommunalen Abwasserreinigung mit.
Unsere bisherige Erfahrung zeigt: Schon kleine Veränderungen können große Wirkung erzielen. Für die spezifischen Herausforderungen Ihrer Kläranlage erarbeiten wir eine maßgeschneiderte Lösung, die ökologisch und ökonomisch sinnvoll ist.
Unsere Technologien und Ansätze unterstützen eine zukunftsfähige Wasserreinigung, die eine sehr gute Wasserqualität im chemischen und ökologischen Sinne langfristig sicherstellt. Damit leisten wir gemeinsam einen messbaren Beitrag für die Erreichung der UN-Nachhaltigkeitsziele. Und damit schließt sich der Kreis zum letzten wichtigen Punkt der Novellierung der EU-Kommunalabwasserrichtlinie.
Erweiterte Herstellerverantwortung und Resilienz – Der Kreis schließt sich
Seit Jahren sprechen wir davon, an den Hotspots von Schadstofffrachten (in der Industrie, in kommunalen Kläranlagen) sinnvolle Lösungen zu entwickeln und diese politisch reguliert voranzubringen. Umso schöner ist, dass die erweiterte Herstellerverantwortung in ebenfalls beschlossen wurde. Zwar nur im Kleinen, aber auch hier gilt, auch kleine Schritte in die richtige Richtung sollte man wertschätzen.
Diese erweiterte Herstellerverantwortung bedeutet konkret, dass die Hersteller von Pharmazeutika (Humanmedizin, nicht Tiermedizin) oder kosmetischen Erzeugnissen spätestens drei Jahre nach Inkrafttreten der EU-Kommunalabwasserrichtlinie mindestens 80 % der Kosten für den Bau und Betrieb der 4. Reinigungsstufe tragen. Ob dies allerdings sinnvoll ist und nicht andere Verursacher:innen ebenfalls Verantwortung übernehmen sollten, können und möchten wir an dieser Stelle nicht bewerten.
Auch wurde beschlossen, dass der Wasserwiederverwertung (water reuse) mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden soll. Wenn es also möglich ist, sollen also alle neuen Anlagen und Prozessoptimierungen darauf ausgelegt sein. Wir sprechen seit Jahren diesbezüglich von einem Sustainability Upgrade. Aber auch diese Upgrades brauchen eine Überwachung, dazu gehören Wirtschaftlichkeitsbetrachtung, Impact-Analyse und Life-Cycle Assessments. Auch hierzu findet man leider keine tiefergehenden Informationen.
Schön ist zu lesen, dass das Thema Strategien zur Resilienz der Wasserversorgung auf den Ebenen der Mitgliedsstaaten angekommen ist. Damit wird Wasserwiederverwendung offiziell mit der Wasserversorgung in Verbindung gebracht. Den Macher:innen im Umfeld der Wasserwirtschaft ist diese Verbindung nicht neu, gut ist, dass die Politiker:innen den globalen Wasserkreislauf und das Zusammenspiel von Wasserversorgung und Abwasserreinigung nun auch verstanden haben.