EU-Kommunalabwasserrichtlinie beschlossen
16. April 2024Mikroplastik und Textilien
24. Juni 2024Das Wasser-Selbstverständnis vs. Realität
Morgens aufstehen, ein Glas Leitungswasser trinken, Kaffee oder Tee kochen, schnell duschen, Zähne putzen, Wäsche waschen, kochen und so weiter. Wir brauchen Wasser – für alles. Wasser ist ein natürlicher Bestandteil unseres Lebens und Lebensgrundlage. Ohne sauberes Wasser können wir nicht leben, nicht überleben. Doch das Bild des kristallen klaren Wassers wird getrübt. Mehr und mehr Schadstoffe, mehr Hiobsbotschaften. Schaut man nur in die deutschen Haushalte, so wurden 2023 rund 36 Prozent des Trinkwassers für Baden, Duschen und Körperpflege verwendet. Laut Statista liefen ungefähr ein Viertel des Trinkwassers durch unsere Toiletten. Trinkwasser ist nach wie vor ein Verbrauchsgut. Nicht nur für die privaten Haushalte, sondern auch für die vielen Industrien. Immerhin haben wir es gesamtgesellschaftlich geschafft, in knapp 30 Jahren der Werteaufzeichnung die Verbräuche durch sinnvolle Maßnahmen zu reduzieren konnten – von 147 damals auf rund 121 pro Einwohnen (bezogen auf Deutschland) heute. Doch wie sieht die Zukunft aus?
Die Bedeutung des Wasserkreislaufs
Ein gut verwalteter Wasserkreislauf untermauert den Fortschritt in der gesamten Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung, insbesondere in Bezug auf Hunger, Gleichstellung der Geschlechter, Gesundheit, Bildung, Existenzgrundlagen, Nachhaltigkeit und Ökosysteme.
Wasser steht auch im Mittelpunkt der Anpassung an den Klimawandel, denn es ist das entscheidende Bindeglied zwischen dem Klimasystem, der menschlichen Gesellschaft und der Umwelt. Ohne eine angemessene Wasserbewirtschaftung wird es wahrscheinlich zu einem verstärkten Wettbewerb um Wasser zwischen den Sektoren und zu einer Eskalation von Wasserkrisen verschiedener Art kommen, die Notfälle in einer Reihe von wasserabhängigen Sektoren auslösen werden. Darüber hinaus ist die physische Welt des Wassers eng mit der sozio-politischen Welt verbunden, da Wasser oft ein Schlüsselfaktor bei der Bewältigung von Risiken wie Hungersnöten, Epidemien, Ungleichheiten und politischer Instabilität ist.
Aber Wasser hat so viele Einflüsse auf unser Leben, in allen Richtungen. Von Überschwemmungen bis zu Wasserknappheit, von gesundheitlichen Aspekten bis zum Wirtschaftsleben. Wasser ist eine der wichtigsten Triebfedern für die Aktivitäten unserer Welt.
Die Frage, die man sich aber bei zunehmenden Meldungen zu Trinkwasserknappheit und sinkende Grundwasserspiegel (auch in Deutschland) stellen muss, ist: Welchen Wert geben wir Wasser?
Die kurze Antwort: Zu wenig Bedeutung bzw. einen zu geringen Wert. Wir sind in Deutschland verwöhnt. Wasser, mit besonderem Blick auf unser Trinkwasser gilt in Deutschland trotz mancher Bedenken nach wie vor als sicherstes Lebensmittel. Die Trinkwasserqualität wird flächendeckend überwacht. Und kommt es mal zu regionalen Problemen, wird einem zumindest das Gefühl vermittelt, dass die Behörden alles tun, um die Probleme wieder in den Griff zu bekommen.
Aber niemand macht sich doch so wirklich Gedanken über das Abwasser? Oder haben Sie sich morgens früh schon mal die Frage gestellt, wenn dann doch mal das Feuchttuch in der Toilette, zusammen mit dem Wattestäbchen auf Nimmerwiedersehen verschwindet, welche Herausforderungen unser Kläranlagen Tag für Tag meistern müssen? Ganz zu schweigen, von den Belastungen, die über die Industrien zusätzlich eingetragen werden. Dass unser Abwasser eine wichtige Ressource ist, weil es in der gereinigten Form die Kläranlagen in Richtung Flüsse, Seen und Meer verlässt und damit wieder die Grundlage für unsere Trinkwassergewinnung liefert, ist vielen Menschen klar. Dass aber das gereinigte Abwasser aus der Kläranlage noch keine Trinkwasserqualität besitzt, ist dagegen den wenigsten Menschen klar. In diesem Zusammenhang fallen oft die Stichwörter Selbstreinigungskraft und Verdünnungsfaktor. Doch was bedeutet das überhaupt? Und was bedeutet dies für die Reinigungsleistung und unsere Wasserqualität der Zukunft?
Die nicht mehr ganz so rosige Zukunft: Der Schadstoff-Cocktail wird komplexer, die Belastungen nehmen zu
Viel zu lange haben wir im Bereich Wasser und Abwasser auf die Selbstreinigungskraft der Umwelt gebaut. Per Definition versteht man unter dem Selbstreinigungsvermögen die Fähigkeit zur Selbstregulierung der Umweltaktivitäten durch eine Reihe spezieller Mechanismen zur Verringerung der Verschmutzung von außen oder zur Umwandlung giftiger Stoffe in ungiftige Stoffe. Im Grunde geht es um die Wiederherstellung des ursprünglichen Qualitätszustands. Hier helfen unter anderem hydrodynamische, physikalische, chemische, biochemische usw. Prozesse, die in der Wasserumgebung stattfinden.
Exkurs in die Welt der Wasserarten
Der hydrologische Kreislauf umfasst drei Wasserquellen: Regenwasser, Oberflächenwasser und Grundwasser.
- Regenwasser: In Bezug auf Hygiene, Mikrobiologie und Chemie ist Regenwasser am saubersten, der einzige Nachteil ist, dass die Salzkonzentration zu niedrig ist.
- Grundwasser: In Bezug auf die Hygiene ist Grundwasser dem Regenwasser unterlegen, aber sauberer als Oberflächenwasser. In vielen Fällen muss es nicht aufbereitet werden und kann trotzdem verwendet werden. Grundwasser entsteht durch das Versickern von Oberflächenwasser in den Boden. Die physikalisch-chemische Zusammensetzung des Grundwassers hängt von der geologischen Struktur und der Zusammensetzung des Oberflächenwassers ab.Die bakterielle Verunreinigung des Grundwassers ist sehr unterschiedlich. In der Regel ist oberflächennahes Grundwasser stärker kontaminiert als tiefes Grundwasser. Je tiefer es in den Boden eindringt, desto weniger Bakterien sind vorhanden, da die oberen Bodenschichten auch die meisten Bakterien zurückhalten können. Viele Daten zeigen, dass Bakterien in Güllegruben nicht tiefer als 30-40 cm in den Boden eindringen können. Manchmal werden jedoch in einer Tiefe von 1,5 m und mehr Bakterien nachgewiesen, und das Grundwasser ist kontaminiert.
- Oberflächenwasser: Wenn Regenwasser auf den Boden fällt und in Flüsse und Seen fließt, wird es als Oberflächenwasser bezeichnet. Oberflächenwasser ist das schmutzigste Wasser, was Mikroorganismen, organische und anorganische Stoffe angeht. Oberflächenwasser ist reich an Nährstoffen - ein gutes Umfeld für das Wachstum vieler Mikroorganismen, einschließlich Pilzen und niederen Tieren.
Schauen wir genauer auf den Selbstreinigungsprozess, so sieht man, dass dieser, zwei grundlegende Prozesse beinhaltet:
- Der Prozess der Vermischung und Verdünnung zwischen Abwasser und Quellwasser;
- der Prozess der Mineralisierung organischer Substanzen unter Beteiligung von Mikroorganismen und Wasserorganismen.
In der Praxis laufen diese beiden Prozesse gleichzeitig ab, aber ihre Intensität hängt von der Lage der Abwassereinleitung, den hydrodynamischen Faktoren wie Geschwindigkeit, Wasserstand, Strömung, Rauhigkeitskoeffizient, Turbulenzdiffusion, Fluss- und Seemorphologie, Strömungsmäander usw. und anderen Umweltbedingungen ab. Dank der beiden oben genannten Prozesse nimmt die Konzentration der in die Wasserquelle eingebrachten Schadstoffe nach einer gewissen Zeit auf ein bestimmtes Niveau ab. Das Endergebnis dieser Prozesse ist die teilweise oder vollständige Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands der Wasserquelle.
Kommt es nun dazu, dass die Einträge variabler werden und gleichzeitig die Kläranlagen den gesamten Cocktail unterschiedlichster gelöster und ungelöster organischer und anorganischer Schadstoffe, darunter auch Mikroplastik nicht mehr adäquat reinigen können, dann kommt schnell die Diskussion nach einem Ausbau auf den Plan. Hier fällt dann in den meisten Fällen das Stichwort 4. Reinigungsstufe.
Vierte Reinigungsstufe und dann?
Wenn man nicht mehr weiterweiß, dann werden oftmals neue Prozesse geplant, statt alte Prozesse zu hinterfragen oder Quellenbetrachtungen durchzuführen. Bei den Quellenbetrachtungen setzen wir an im Bereich der Mikroplastik-Analytik. Wir sind hier auf den Spuren der Hotspots unterwegs, beproben Kläranlagen, industrielle Prozessströme und Gewässer und liefern ein umfassendes, datenbasiertes Gesamtbild. Im Bereich Mikroschadstoffe versucht man das seit 40 Jahren auch. Kohärenz der Daten, vergleichende Daten, multivariable Datenanalyse Fehlanzeige.
Stattdessen hat man vielerorts Löcher gebuddelt und eine vierte Reinigungsstufe für die Mikroschadstoff-Entfernung implementiert, ohne genau zu wissen, was man eigentlich entfernen möchte, ohne analytische Kontrolle und Steuerinstrumente. Heute weiß man, was man 40 Jahre lang versäumt hat. Die Belastungen sind variable, die gewählten analytischen Methoden in kontinuierlichen Prozessströmen und bei den großen Wassermassen, die die Kläranlage Tag für Tag bewältigt, nicht ausreichend.
Die Ergebnisse halten kaum Diskussionen stand. Die Fragezeichen werden immer größer, während die Belastungen der Gewässer immer weiter zunehmen, wie eine neue Studie des Umweltbundesamtes zeigt.
Vierte Reinigungsstufe und dann?
Anfang April wurde die neue EU-Kommunalabwasserrichtlinie beschlossen. Doch wie man kurz und langfristig die komplexen Schadstofffrachten reduzieren möchte, darauf gibt es kaum technologische oder gesellschaftspolitische Antworten. Eine Chance gibt es aber noch und auch ein Lichtblick. Die große Bühne könnte Deutschland und Europa überholen und als Wirkungsbeschleuniger fungieren.
Die UN-Nachhaltigkeitsziele: Der Linker und die Chance.
Wasser kommt in jedem einzelnen Ziel für nachhaltige Entwicklung und auch in unserer gemeinnützigen Unternehmensstrategie vor. Haben Sie das gewusst?
Doch wo sind die Hebel, wo sind die Chancen? Wo kann man ansetzen, um das Thema Wasser sinnvoll, wertschätzend und nachhaltig zu platzieren und im Kontext der UN-Nachhaltigkeitsziele zu beleuchten? Und es steht auch die ganz wichtige Frage natürlich im Raum: Was können wir tun?
In unseren Worten und mit unseren Hebeln geantwortet: Wir brauchen mehr detect | remove | reuse. Mit Transparenz und offener Kommunikation und der Identifikation der Hotspots von Belastungen und Eintragspfaden, können wir wirkungsvoll die Wasserwege und auch unsere Kläranlagen schützen, frühzeitig nach dem Vorsorgeprinzip agieren und unsere Umwelt schützen. Klingt nach Träumerei? In unseren Projekten und Machbarkeitsstudien zeigen wir bereits, dass es geht. In unseren Publikationen liefern wir die Daten, peer-reviewed und zum Nachmachen. Der Blog ist unsere Kommunikationsplattform. Doch wir werden immer wieder ausgebremst in unserem Aktionismus. Dies hängt damit zusammen, dass wir als gemeinnütziges Unternehmen, an einige Fördertöpfe gar nicht rankommen, weil uns unwirtschaftliches Denken vorgeworfen wird, oder dass das Begutachten teilweise über ein Jahr dauern, bis dass die ersten Gelder fließen. Für Menschen, wie wir es sind, die besser gestern als heute Lösungen und Impact liefern möchten, sind das unfassbare Hürden. Diese können wir aber mit Ihnen gemeinsam meistern. Denn Sie können bei Wasser 3.0 Wirkungsbeschleuniger:in werden, als Spender:in oder Sponsor:in. Mit Ihrer finanziellen Unterstützung schaffen wir es. Für mehr Wasser ohne Mikroplastik. Für mehr technologischen Innovationstransfer. Für mehr nachhaltige Bildung.