
Spread Love, Not Microplastics
23. August 2025
Istria300 mit Trikoterie
28. August 2025Standardisierte Probennahme in der Mikroplastik-Analytik: Warum Netze versagen und die Wassersäule entscheidend ist
Die Mikroplastik-Analytik steht vor einem fundamentalen Problem: Ohne standardisierte Probennahme sind Daten nicht vergleichbar und wissenschaftliche Erkenntnisse nur begrenzt aussagekräftig. Die weit verbreitete Praxis der netzbasierten Oberflächenbeprobung führt zu systematischen Verzerrungen und unterschätzt das wahre Ausmaß der Mikroplastik-Verschmutzung erheblich.
Das Versagen traditioneller Netzmethoden: Wissenschaftliche Evidenz
Die traditionelle Mikroplastik-Beprobung mit Netzen (meist 330 µm Maschenweite) weist gravierende methodische Schwächen auf. Studien zeigen, dass Netze mit 100 µm Maschenweite um ein vielfaches höhere Mikroplastik-Konzentrationen erfassen als solche mit 330 µm Maschenweite. Dies bedeutet: Die Standardmethode unterschätzt die Belastung systematisch. Doch Mikroplastik kann auch deutlich kleiner 100 µm sein, ein Problem, dem wir uns mit der Wasser 3.0 PSU angenommen haben, die bis 10 µm Partikelgröße beprobt.
Mesh-Size Bias: Der blinde Fleck der Forschung
Eine umfassende Vergleichsstudie verschiedener Probenahmemethoden belegt diese Problematik eindeutig: Manta-Netze erfassen nur 14,2% Fasern, während Pumpenproben 70-95% Fasern detektieren. Die Konzentrationen unterscheiden sich dramatisch: Während Manta-Netze 2,31 Partikel/m³ erfassen, zeigen Pumpenproben um zwei Größenordnungen höhere Werte von 357-553 Partikeln/m³. Der Grund: Netze lassen kleinere, aber häufigere Partikel durch das Netz hindurch – genau jene Partikel, die biologisch am relevantesten sind.
Oberflächenbias: Die ignorierten 90% der Wassersäule
Ein noch schwerwiegenderes Problem ist die ausschließliche Fokussierung auf die Wasseroberfläche. Wissenschaftliche Untersuchungen der gesamten Wassersäule zeigen:
- Polymerverteilung folgt der Dichte: Niedrigdichte-Polymere (Polypropylen) konzentrieren sich an der Oberfläche, während höherdichte Polymere (PET) in tieferen Schichten und Sedimenten dominieren
- Oberflächenproben überschätzen die mittlere Wassersäulenkonzentration in Ästuarien und Hafengebieten erheblich
- Bis zu 66% der Mikroplastik-Partikel in Sedimenten bestehen aus dichteren Polymeren, die bei Oberflächenbeprobung völlig übersehen werden
Die bereits zitierte Vergleichsstudie bestätigt dies: Oberflächenproben (1 m Tiefe) zeigen 2-6 Partikel/m³, während Tiefenproben (13-23 m) 1-3 Partikel/m³ aufweisen.
Kritisch: Die Polymerzusammensetzung variiert stark - PET dominiert in tieferen Schichten (aufgrund seiner Dichte von 1,38 g/cm³), während PE an der Oberfläche überwiegt (Dichte 0,91-0,96 g/cm³).
Standardisierung mit der mobilen Particle Sampling Unit (PSU)
Wir haben diese methodischen Probleme erkannt und eine mobile Particle Sampling Unit (PSU) entwickelt, die erstmals standardisierte, repräsentative Proben ermöglicht:
Technische Spezifikationen der PSU:
- Probenvolumen: 100 L bis 1 m³ (vs. wenige Liter bei Flaschenproben)
- Filtergröße: 10 µm Filterkerze (vs. 330 µm bei Standardnetzen)
- Einsatzbereich: Wassersäule, Oberflächenwasser, Kläranlagenabläufe
- Mobilität: Vollständig portable Einheit mit integrierter Pumpe und Verfahrenstechnik
Wissenschaftlich validierte Überlegenheit
Die Validierung der PSU zeigt deutliche Vorteile gegenüber herkömmlichen Methoden:
- Repräsentativität: Große Probenvolumina reduzieren Stichprobenfehler erheblich
- Kontaminationskontrolle: Geschlossenes System minimiert externe Kontamination
- Zeiteffizienz: Reduktion der Probennahmezeit von 2-3 Stunden auf wenige Minuten
- Reproduzierbarkeit: Standardisierte Protokolle gewährleisten vergleichbare Ergebnisse

Oleg bei der Probennahme mit der PSU © Wasser 3.0
Langzeitmonitoring: EU-Projekte UPSTREAM und REMEDIES als Wegweiser
UPSTREAM: Flussmonitoring der nächsten Generation
Das EU-Projekt UPSTREAM (Circular and Bio-Based Solutions for the Ultimate Prevention of Plastics in Rivers) revolutioniert das Gewässermonitoring mit 14 innovativen Lösungen entlang von sieben Flüssen in fünf Ländern.
Kernziele von UPSTREAM:
- Standardisierte Überwachungstechniken für Mikroplastik bis 25 µm Größe
- Reduktion der Plastikbelastung um 50% und Mikroplastik um 30%
- Innovative schwimmende Plattformen mit 83% Entfernungseffizienz
Im Rahmen von UPSTREAM untersuchen wir systematisch die Queich in Landau mit der PSU. Diese regelmäßigen Beprobungen ermöglichen erstmals die Ermittlung echter Verdünnungsfaktoren für ökologische Bewertungen.
REMEDIES: Mediterrane Mikroplastik-Überwachung
Das EU-Projekt REMEDIES (21 paneuropäische + 1 afrikanische Organisation) fokussiert auf Mittelmeer-Hotspots mit drei Säulen:
- Überwachung von Makro- und Mikroplastik in acht Mittelmeergebieten
- Sammlung und Verwertung von >422 Tonnen Plastikmüll
- Verhinderung der Ablagerung von >61 Tonnen Plastik-Äquivalent
Hier setzt die PSU auf der Kläranlage Mykonos für vierjähriges Langzeitmonitoring ein, um standardisierte Datengrundlagen für die Mittelmeerregion zu schaffen.
Kritische Erkenntnisse aus Langzeitdaten: EU-Richtlinien greifen zu kurz
Unser zweijährige Monitoring-Studie mit 320 Proben deckt fundamentale Schwächen aktueller EU-Vorgaben auf:
Wissenschaftliche Evidenz:
- Starke zeitliche Schwankungen: 6-62 Mikroplastik/L im Kläranlagenablauf
- Einzelproben sind nicht repräsentativ: Notwendigkeit multipler Beprobungen
- EU-Vorgabe unzureichend: Zwei Proben/Jahr erfassen zeitliche Variationen nicht
Wissenschaftliche Empfehlung:
- Mindestfrequenz: 2-4 Proben/Monat mit Doppelbestimmung
- Cross-Validierung: Vergleich verschiedener Methoden obligatorisch
- Saisonale Erfassung: Jahreszeiten-übergreifende Datenerhebung
Revolutionäre Detektionstechnologie: Fluoreszenz-Mikroskopie
Mit unseren innovativem Fluoreszenzmarker "abcr eco Wasser 3.0 detect mix MP-1" lösen wir das Identifikationsproblem:
Technische Vorteile:
- Selektive Anfärbung: Nur synthetische Polymere fluoreszieren
- Schnelle Analyse: 15 Minuten statt Stunden (vs. µFT-IR)
- 99,9% Spezifität: Eliminiert Falschpositive durch natürliche Partikel
- 56% Kosteneinsparung: Gegenüber traditionellen Methoden
Qualitätssicherung: Kontaminationskontrolle
Systematische Studien zur Kontaminationskontrolle zeigen:
Laborumgebung-Optimierung:
- Standard-Labor: Baseline-Kontamination
- Optimiertes Labor (HEPA-Filter, Laborkittel): 42% Reduktion
- Mikroplastik-Labor (Luftschleuse, Schutzanzüge): 97% Reduktion
Citizen Science: Demokratisierung der Datenerhebung – Die Global Map of Microplastics
Unser Citizen Science-Ansatz revolutioniert die Datensammlung: In unserem WASoMI-Bildungsprojekt waren bisher mehr als 5.000+ Schüler:innen beteiligt. Wir könnten schon über 7.000 Datenpunkte in der Global Map of Microplastics hinterlegen. In allen seit 2023 von uns gemessenen Proben haben wir Mikroplastik nachgewiesen und konnten als Hotspots urbane Gebiete, Verkehrswege und Kläranlagen identifizieren.
Zukunft der Mikroplastik-Analytik: Integration und Standardisierung
Die Integration verschiedener Ansätze zeigt den Weg für zukunftsfähige Mikroplastik-Analytik:
- Standardisierte Probennahme (PSU) für repräsentative Daten
- Fluoreszenz-Detektion für schnelle, spezifische Analyse
- Langzeitmonitoring für zeitliche Trends
- Citizen Science für räumliche Abdeckung
- EU-weite Harmonisierung durch Projekte wie UPSTREAM und REMEDIES
Fazit: Der paradigmatische Wandel ist überfällig
Die wissenschaftliche Evidenz ist eindeutig: Traditionelle netzbasierte Oberflächenbeprobung führt zu systematischer Unterschätzung der Mikroplastik-Belastung. Die Wassersäule muss vollständig erfasst werden, um das wahre Ausmaß der Verschmutzung zu verstehen.
Unsere standardisierten Ansätze mit der mobile Particle Sampling Unit setzen neue Maßstäbe für:
- Repräsentativität durch große Probenvolumina
- Standardisierung durch einheitliche Protokolle
- Effizienz durch schnelle Fluoreszenz-Detektion
- Vergleichbarkeit durch harmonisierte Methoden
Die EU-Projekte UPSTREAM und REMEDIES demonstrieren bereits heute, wie koordiniertes, standardisiertes Monitoring auf europäischer Ebene funktioniert. Nur durch diese methodische Revolution können wir von unvergleichbaren Einzelstudien zu belastbaren, wissenschaftlichen Erkenntnissen gelangen, die effektive Umweltschutzmaßnahmen ermöglichen.
Die Zukunft der Mikroplastik-Analytik ist standardisiert, wassersäulen-umfassend und wissenschaftlich fundiert – oder sie bleibt ein kostspieliger Blindflug.