
Textilgrundstoffe und Mikroplastik-Freisetzung
22. April 2025Standardisierte Probennahme und Mikroplastik-Detektion: Von mobilen Lösungen für kommunale Kläranlagen und Standardverfahrens-Protokollen
Kläranlagen sind eine zentrale Stelle der Abwasserreinigung und ein wichtiger Ort für den Erhalt der Wasserqualität unserer Gewässer. Dennoch gelten sie als Hotspots für Mikroplastik. Durch die Komplexität und Konzentrationen neuer Stoffgemische erreichen Kläranlagen jedoch die Grenze der Abwasserreinigung. Das gesamte Abwasser aus Industrien und Haushalten wird zwar immer noch im Rahmen der gesetzlich vorgegebenen Parameter geklärt, jedoch werden die meisten Schadstoffe gar nicht überwacht und gelangen ungehindert in die nahegelegenen Gewässer, dazu gehört Mikroplastik.
Von fehlenden Standards und lückenhafter Datengrundlage – Lösungen mussten her
Während seiner Doktorarbeit (2018-2021) bemerkte Michael bereits, dass es nicht ganz so einfach ist, unterschiedliche Wassertypen (z.B. Abwasser, Flüsse, Meerwasser, Trinkwasser) auf Mikroplastik zu beproben. Er wollte dazu den Prozess der Probennahme aus Kläranlagen validieren und musste feststellen, dass es zu dieser Zeit kein standardisiertes Verfahren dazu gab. Hinzu kam, dass damals allein die Probennahme zwei bis drei Stunden in Anspruch nahm. Darüber hinaus bestand bei dieser Methodik fortwährend die Gefahr der Kontamination der Proben und auch Entnahmefehler waren nicht auszuschließen.
Dies war ein maximal unbefriedigender Zustand, nicht nur für Michael, sondern für das gesamte Team von Wasser 3.0. Seit mehr als fünf Jahren setzen sich die Wissenschaftler:innen bereits intensiv mit der Mikroplastik-Analytik auseinander.
Neben der Entwicklung neuartiger Fluoreszenzmarker, die selektiv Mikroplastik und keine natürlichen Partikel anfärben und somit mittels Mikroskopie schnell und einfach Ergebnisse liefern, konnte auch eine eigene Lösung für die Mikroplastik-Beprobung entwickelt werden. Diese wird seit mehr als drei Jahren als Standard im Mikroplastik-Monitoring auf der kommunalen Kläranlage in Landau eingesetzt.
Im EU-Projekt REMEDIES wird diese spezielle Probennahmeeinheit (auch Particle Sample Unit, oder kurz: PSU genannt) eingesetzt. In unseren Publikationen kann man die ersten wissenschaftlichen Veröffentlichungen zu den Monitorings auf Kläranlagen nachlesen.
Wie funktioniert eine Particle Sampling Unit (PSU)?
Die PSU umfasst neben der Filterkerze auch Pumpe und Verfahrenstechnik, so dass sie ein Höchstmaß an Mobilität mit sich bringt. Damit können sehr schnell repräsentative Probenvolumina von 100 Litern und mehr aus dem Kläranlagenablauf, dem Vorfluter oder angrenzenden Gewässern entnommen werden. Das Plug & Play Prinzip ermöglicht auch, dass Kläranlagenpersonal nach einer Schulung auch selbstständig die Proben nehmen kann. Vom Auf- bis zum Abbau vergeht weniger als eine Stunde, die Probennahme selbst erfolgt meist innerhalb weniger Minuten.

Die PSU ist mit robusten und hochwertigen Materialien verarbeitet. Oleg ist beim Auf- und Abbau bereits routiniert. © Wasser 3.0

Die Filterkerze fängt das Mikroplastik auf wie ein Sieb. Bei sehr verschmutzen Wässern fließt das Wasser nur noch langsam durch. © Wasser 3.0
Standardisierte Probennahme: Unsere Angebote für kommunale Kläranlagen und die Industrie
Neben dem Rundum-Sorglos-Paket, das wir Kläranlagen und Interessierten anbieten, gibt es ebenfalls die Möglichkeit, die PSU zu mieten. Um ein standardisiertes Vorgehen zu gewährleisten, gibt es unsere Manuals für die standardisierte Mikroplastik-Beprobung und für die standardisierte Probenaufbereitung.
Warum sind ein repräsentatives Probenvolumen und ein Standardprotokoll so wichtig?
Mikroplastik ist im Wasser unregelmäßig (heterogen) verteilt. Dies bedeutet, dass sich sekündlich die Mikroplastik-Belastungen ändern können, und das von 0 bis 1000 und mehr. Für ein valides Messergebnis sind viele Messungen notwendig, darunter auch sogenannte Blankmessungen, um Kontaminationsquellen auszuschließen und sich permanent selbst zu hinterfragen und den Prozess zu kontrollieren.
Hinzu kommt, dass so eine kommunale Kläranlage sehr viel Abwasser behandelt und in die Umwelt transportiert. Wenn man hier nur eine 1-Liter-, 5-Liter- oder 10-Liter-Probe abfüllt, dann sind die Hochrechnungen auf den Vollstrom weitaus fehleranfälliger. Nimmt man zwei Proben mit einer repräsentativen Menge von 100 Litern und analysiert mindestens in Doppel- besser in Dreifachbestimmung, dann ergeben sich aussagekräftige Datenpakete und absolute Zahlen.
Und warum reicht bei Effizienzmessungen und beim Gewässermonitoring weniger Probenvolumen?
Im Vergleich zur Beprobung kommunaler Kläranlagen wird bei der Probennahme für die Global Map of Microplastics oder auch für prozessbegleitende Effizienzmessungen weniger Volumen benötigt. Es handelt sich hierbei um sogenannte nicht-repräsentative Stichproben, die aufeinander aufbauend wiederrum eine repräsentative Aussage liefern. Für die Effizienzmessung einer Mikroplastik-Entfernung erhält man dann eine prozentuale Reduktion von „unbehandelt“ bis „behandelt“. Bei unserem Verfahren zur Mikroplastik-Entfernung können wir nicht nur die Agglomerate separieren und wiederverwerten.
Wir haben außerdem die Möglichkeit, die Agglomerate zu wiegen und können somit unseren Entfernungsprozess sowohl relativ (prozentualer Wert) als auch absolut (echte Entfernungs-Mengen in Kilogramm und Tonnen) beschreiben. Das macht unser Verfahren einzigartig gegenüber Wettbewerber:innen und kreislaufwirtschaftlich mehrwertstiftend, da wir die Mikroplastik-Abfälle wiederverwerten können. Und wenn die Probennahme geschafft ist, geht es mit der Probe ab ins Labor.v
Bei der Mikroplastik-Analytik kommt Farbe ins Spiel
Nach der Probennahme folgt die eigentliche Analytik: dafür wird die Filterkerze entnommen und mittels Sprühkanne das Mikroplastik in ein Transportgefäß aus Glas überführt.
Die Mikroplastik-Analytik erfolgt in unseren Laboren und basiert auf dem Einsatz speziell entwickelter Fluoreszenzmarker. Optisch können Mikroplastikpartikel und natürliche Partikel nur schwer voneinander unterschieden werden. Statt Auszählen haben wir eine einfache und schnelle Analysemethode entwickelt, bei der wir das Mikroplastik selektiv mit speziell entwickelten Fluoreszenzmarkern anfärben und so unter dem Fluoreszenzmikroskop sichtbar machen. Organische Partikel färben sich nicht an, somit lässt es sich zuverlässig von natürlichen Partikeln unterscheiden.
Wo wir stehen – und wohin wir gehen
Bisher konnten wir in drei Kläranlagenabläufen ein Langzeitmonitoring (mehr als 6 Monate Datenerfassung) zu Mikroplastik durchführen. Die Ergebnisse sind bereits veröffentlicht.
Diese zeigen Mikroplastik in allen Proben mit starken Schwankungen. Wir haben auf der Basis der Ergebnisse eine Handlungsempfehlung für die EU formuliert, da mit Ihrer Novellierung der EU-Kommunalabwasserrichtlinie auch das Thema Mikroplastik in kleinem Maße aufgegriffen wird. Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass zweimaliges Beproben pro Jahr keinesfalls ausreicht, um eine Aussage zur Mikroplastik-Belastung treffen zu können.
Unsere Handlungsempfehlung für das Mikroplastik-Monitoring
Wir empfehlen für das Monitoring Probenintervalle von zwei bis acht Proben pro Monat, dazu Doppelbestimmung und Cross-Validierung. Wenn man zukünftig so beproben würde, könnte man schneller aus den Daten lernen und ins Handeln kommen (sprich an den richtigen Stellen Entfernungstechnologien verpflichtend einbauen lassen oder Vermeidungsstrategien umsetzen).
Mit dieser Art des Monitorings von Kläranlagen und Gewässern ließe sich deutlich schneller und effektiver Umwelt- und Gewässerschutz realisieren. Allerdings müsste die Politik schneller erkennen, wo konkretes Handeln sinnvoll ist, sich vom Einfluss der Lobbyisten lösen und dafür mehr gesellschaftsunterstützend aktiv werden. Wertvolle Unterstützung liefern dabei gemeinnützige Unternehmen, die unabhängig agieren, klare Wertestrukturen sowie satzgemäße Aufträge verfolgen und reale, datenfundierte Wirkungsmessungen implementiert haben.
Und wie steht es um Mikroplastik beim Ausbau der kommunalen Kläranlagen – Stichwort: 4. Reinigungsstufe?
Mit unserer PSU und der darauf aufbauenden standardisierten Mikroplastik-Analytik konnten wir bereits die Wirksamkeit der 4. Reinigungsstufe in Bezug auf Mikroplastik überprüfen und analysieren. Untersucht wurde (wie immer bei uns) vergleichend, und zwar ein Advanced Oxidation Process (kurz AOP) gegenüber einem granulierte Aktivkohle (GAK, oder englisch GAC) Verfahren.
Auch eine Nachhaltigkeitsbetrachtung haben wir dazu durchgeführt. Darüber hinaus haben kürzlich das Verfahren mittels Pulveraktivkohle mit Tuchfilter unter die Lupe genommen. Alles in allem kann man sagen, dass eine 4. Reinigungsstufe oder Spurenstoffelimination nicht auf Mikroplastik ausgelegt ist. Wenn man zukunftsweisend bauen möchte, dann nimmt man nicht nur Mikroschadstoffe, sondern auch Mikroplastik gleich mit auf und lernt aus den Fehlern der Vergangenheit. Denn damals hat man häufig nicht zu Ende oder weitergedacht bei der Vergabe von Bauprojekte in kommunalen Bereichen.
Was empfehlen wir zusätzlich?
Zudem soll Mikroplastik allgemein besser überwacht werden, vor allem im Abwasser und in nicht häuslichem Abwasser einschließlich industriellem Abwasser, Klärschlamm, Siedlungsabflüssen und Mischwasserüberläufen. Diese Überwachung, die mithilfe der PSU standardisiert und einfach durchzuführen ist, könnte flächendeckend zeigen, wie viel Mikroplastik über welche Wege in die Kläranlagen und in die Umwelt kommt. Der Vorteil davon wäre, dass man die Hotspots identifizieren und diese gezielt angehen könnte, statt irgendwo irgendwas zu machen.

Michael entnimmt eine Wasserprobe mittels Analytik-Kit, um die Werte mit denen der PSU zu vergleichen © Wasser 3.0
Und wie geht es für uns weiter mit der PSU?
Neben der Kläranlage findet unsere mobile Probennahmeeinheit seit diesem Jahr auch immer mehr Anwendung im Mikroplastik-Gewässermonitoring. Im EU-Projekt UPSTREAM untersuchen wir beispielweise die Queich in Landau, die das angrenzende Gewässer an die Kläranlage in Landau darstellt. Durch die Regelmäßigkeit und Häufigkeit der Beprobungen können tatsächliche Verdünnungsfaktoren ermittelt werden, um zukünftig Aussagen zur ökologischen Bewertung der Gewässergüte treffen zu können.
Und da wir von Wasser 3.0 uns jeden Tag verbessern wollen und selbst auf die Probe stellen, vergleichen wir in regelmäßigen Abständen die Mikroplastik-Konzentrationen der Probennahmeeinheit mit der aus dem Mikroplastik-Mapping mittels Analytik-Kit.
Möchten Sie die PSU und alles zur Mikroplastik-Analytik live und im Einsatz kennenlernen?
Dann ist vielleicht unser OPEN HOUSE ihre Anlaufstelle. Lesen Sie dazu gerne unseren Blogbeitrag und melden Sie sich über die bereitgestellten Links an. Wir freuen uns auf Ihren Besuch.