(Mikro-)Plastik: Status der Regulation und Gesetze
17. Oktober 2022Amundi spendet für WASoMI
17. November 2022Globale Herausforderung Mikroplastik: Wo stehen wir bei Regulationen und Gesetzen?
In vielen Ländern, darunter Großbritannien, Kanada und die Vereinigten Staaten, wurden Fortschritte bei der Beschränkung der Verwendung von Mikroplastik erzielt. Dennoch gibt es immer noch kein einziges umfassendes europäisches Gesetz, das die absichtliche Verwendung von Mikroplastik in Produkten einschränkt oder die unbeabsichtigte Freisetzung durch Mikroplastik in Abwässern und den anschließenden Eintrag in die Umwelt regelt. Wirksame Rechtsvorschriften für Mikroplastik sind jedoch entscheidend für die Verringerung der Umweltbelastung.
Die Vereinigten Staaten und Kanada konzentrieren sich vor allem auf Überwachungsprogramme und Vorschriften, die das Verständnis für das Mikroplastikproblem verbessern sollen. Kalifornien hat im August 2022 ein Handbuch veröffentlicht, in dem standardisierte Test- und Berichtsmethoden für Mikroplastik im Trinkwasser festgelegt sind. Zusätzlich werden bis zu 30 Trinkwasserversorger des Staates verpflichten, ab Herbst 2023 zwei Jahre lang vierteljährliche Tests durchzuführen. Der Schwerpunkt der EU liegt jedoch in erster Linie auf der absichtlichen Verwendung von Mikroplastik in Produkten. Wir wagen eine Einordnung der aktuellen Entwicklungen.
Schon bei den Eintragsmengen referenziert man seit Jahren nur Schätzungen
Mikroplastik sind synthetische Polymere < 5 mm, die häufig funktionelle Zusatzstoffe enthalten. Sie werden in zwei Hauptkategorien unterteilt: 1. Primäres Mikroplastik (wird direkt in die Umwelt eingetragen) und 2. Sekundäres Mikroplastik (das durch den Abbau größerer Plastikpartikel in der Umwelt entsteht).
Weltweit wurden als Hauptquellen primären Mikroplastiks Reifen, synthetische Textilien, Schiffsanstriche, Straßenmarkierungen, Körperpflegeprodukte, Plastikpellets und Stadtstaub auf der Basis von Schätzungen und Rechnungen (jedoch nicht auf der Basis kohärenter Datenerfassung) ermittelt.
Davon werden nur Körperpflegeprodukte als absichtlicher Mikroplastikverlust eingestuft. In Ländern mit höherem Einkommen, die über angemessene Entsorgungsmethoden und Abfallbehandlungsanlagen verfügen, ist primäres Mikroplastik die Hauptquelle für Plastikeinträge in die Ozeane, wobei 98 % aus Aktivitäten an Land stammen.
In der EU werden jährlich schätzungsweise 150.000 Tonnen Mikroplastik absichtlich verwendet (z. B. in Körperpflegeprodukten, Reinigungsmitteln, Düngemitteln und Farben), wobei 42.000 Tonnen in die Umwelt gelangen.
Wann ist der richtige Zeitpunkt?
Obwohl Mikroplastik offiziell noch nicht als gefährliche Stoffe oder Mikroverunreinigungen eingestuft ist, zeigen immer mehr wissenschaftliche Studien die schädlichen Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit. Wenn Mikroplastik einmal in der Umwelt sind, lässt es sich fast nicht mehr entfernen. Daher wird der Druck von Seiten der Öffentlichkeit und der Wissenschaft immer größer, Beschränkungen für Mikroplastik einzuführen. Und ein Handeln ist unmittelbar und sofort möglich. Auch ohne Gesetze.
Es stockt auf der politischen Ebene
Zum Zweck der Findung geeigneter Kontrollinstrumente forderte die Europäische Kommission 2018 die „European Chemicals Agency“ (ECHA) auf, die verfügbaren wissenschaftlichen Daten zu bewerten und einen Vorschlag für die Beschränkung von absichtlich zugesetztem Mikroplastik im Rahmen der „Regulation on the Registration, Evaluation, and authorisation of Chemicals“ (REACH) auszuarbeiten. Nach eingehender Untersuchung der von Mikroplastik ausgehenden Risiken und Gefahren kam die ECHA zu dem Schluss, dass Mikroplastik bei Risikobewertungen als Stoff ohne Grenzwert betrachtet werden sollte.
Mit anderen Worten: Jede Freisetzung in die Umwelt wird als Risiko betrachtet.
Zumindest in der EU-Plastikstrategie wird das Thema Mikroplastik behandelt und direkt oder indirekt in mehreren Richtlinien erwähnt. Eine Regulation oder gar Gesetze sind jedoch bisher nicht am Horizont zu erkennen.
Der Vorschlag für die Beschränkung von Mikroplastik wurde 2020 vom ECHA’s „Committee for risk assessment“ (RAC) und vom ECHA’s „Commitee for socio-economic analysis“ (SEAC) geprüft und der Entwurf entsprechend aktualisiert; ein endgültiger Änderungsentwurf (Annex XVII) wurde am 30. August 2022 veröffentlicht. Diskussionen und eine Abstimmung über die vorgeschlagenen Beschränkungen werden zwischen den Behörden der Mitgliedstaaten im Zeitraum von 2022-2023 stattfinden.
Der Vorschlag ist sicherlich ein Schritt in die richtige Richtung. Er erkennt die schwerwiegenden negativen Folgen an, die Mikroplastik sowohl für die Umwelt als auch für die menschliche Gesundheit haben kann, und behauptet, dass durch die Beschränkungen in den nächsten 20 Jahren etwa 500.000 Tonnen Mikroplastik weniger in die Umwelt gelangen werden. Zu den wichtigsten Bestandteilen des Annex, die sichergestellt werden sollten, gehören:
- Bewertung von Mikroplastik nach dem Vorsorgeprinzip
- Einbeziehung von Mikroplastik in allen Sektoren in die Beschränkungen, unabhängig von der Art des verwendeten Polymers
- Verbot von Mikroplastik in kosmetischen Produkten mit sofortiger Wirkung (keine Übergangsfrist, da es eine freiwillige Verpflichtung der Kosmetikindustrie gab, Produkte mit Mikrolastik bis 2020 vom Markt zu nehmen)
Es gibt jedoch Einschränkungen, die sich aus der von der ECHA vorgeschlagenen Definition von Mikroplastik ergeben, die wie folgt lautet:
Mikroplastik ist ein Material, das aus festen polymerhaltigen Partikeln besteht, denen möglicherweise Zusatzstoffe oder andere Substanzen zugesetzt wurden, und bei dem ≥ 1 Gew.-% der Partikel (i) alle Abmessungen 1 nm ≤ x ≤ 5 mm oder (ii) bei Fasern eine Länge von 3 nm ≤ x ≤ 15 mm und ein Verhältnis von Länge zu Durchmesser von > 3 haben.
Damit sind flüssige und lösliche Polymere sowie Nanoplastik mit einer Größe von weniger als 100 nm effektiv von den Beschränkungen ausgenommen. Nach Angaben der Plastic Soup Foundation gilt diese Definition nur für 4 % der in Kosmetika verwendeten synthetischen Polymere. Dies birgt die Gefahr, dass viele Unternehmen und Branchen fälschlicherweise behaupten können, sie seien plastikfrei, was die Verbraucher in die Irre führt.
Insgesamt wurden im Annex viele kritische Einschränkungen festgestellt, darunter:
- Ausschluss von kohlenstofffreien, löslichen (Löslichkeit > 2 g/l) und flüssigen Polymeren von der Definition von Mikroplastik und den damit verbundenen Einschränkungen
- Aufnahme einer unteren Größengrenze, die Nanopartikel (<100 nm) von Beschränkungen ausschließt
- Unzureichende Prüfverfahren für die Ausnahmeregelung "biologische Abbaubarkeit" (d. h. keine Prüfung der biologischen Abbaubarkeit in allen Umweltbereichen, keine Prüfung des Abbaus unter realistischen Umweltbedingungen und keine Sicherstellung, dass Mischungen mit herkömmlichen Kunststoffen verboten sind)
- Kein vollständiges Verbot von Füllmaterial für Sportplätze
- Übergangsfrist von 12 Jahren für das Verbot von Mikroplastik in kosmetischen Produkten für Make-up, Lippen- und Nagelpflege
- Meldemaßnahmen für den Verlust von Plastikpellets reichen nicht aus, um den Verlust von Plastikpellets zu verhindern oder erheblich zu minimieren; die Übergangsfrist sollte auf 12 Monate verkürzt werden
- Unzureichende Kennzeichnung und Anweisungen für Gebrauch und Entsorgung
- Ausnahmeregelungen für Mikroplastik, die nicht klar definiert und gerechtfertigt sind, d. h. für Mikroplastik, das durch technische Mittel eingeschlossen wird, Mikroplastik, dessen physikalische Eigenschaften dauerhaft verändert werden, und Mikroplastik, das bei der Endverwendung in Industrieanlagen dauerhaft in eine feste Matrix eingebaut wird
Der Ausschluss von flüssigen, halbfesten und wasserlöslichen Polymeren sowie von Nanoplastik von den Beschränkungen wird wahrscheinlich zu einer erhöhten Marktnachfrage und damit zu einem Anstieg ihrer Umweltkonzentrationen führen. CodeCheck und The Plastic Soup Foundation betonen außerdem, dass die Ausnahme von Flüssigpolymeren von den Beschränkungen für Anwendungen, für die es bereits alternative Inhaltsstoffe gibt, wie z. B. für Körperpflegeprodukte, nicht gerechtfertigt ist.
Wenn nicht jetzt, wann dann?
Aufgrund der langen Übergangsfristen, die der Industrie im REACH-Vorschlag eingeräumt werden, wird Mikroplastik weiterhin in Abwasserströme gelangen. Die derzeitigen Kläranlagen sind nicht in der Lage, lösliche synthetische Polymere und festes Mikroplastik vollständig zu entfernen. Daher gelangt über das Abwasser eine beträchtliche Menge an Mikroplastik in die Umwelt.
Darüber hinaus beschränkt der Vorschlag nur das absichtlich hinzugefügte Mikroplastik - Reifenabrieb und synthetische Textilien, die zu über 52 % der primären Mikroplastikbelastung der Umwelt beitragen, bleiben unberücksichtigt. Es sollten weitere Rechtsvorschriften zur Erkennung, Überwachung und Entfernung von Mikroplastik aus Abwässern entwickelt werden.
Wir bleiben dran.