
Wasserlösliche Polymere
22. Juli 2025
Unser Weg zu vergleichbaren Mikroplastik-Daten
26. Juli 2025Theory of Change für Mikroplastik-Bekämpfung: Wie Wasser 3.0 systemische Wirkung erzielt
Die Mikroplastik-Krise ist eine der größten Umweltherausforderungen unserer Zeit. Doch wie können wir von isolierten Lösungsansätzen zu einer systemischen Transformation gelangen? Die Theory of Change bietet einen Rahmen für strategische Wirkungsbeschleunigung – und Wasser 3.0 zeigt exemplarisch, wie dieser Ansatz in der Praxis funktioniert.
Die Mikroplastik-Herausforderung: Komplexer als gedacht
Die Dimension des Mikroplastik-Problems übertrifft bisherige Einschätzungen bei Weitem. Aktuelle Studien aus 2024 und 2025 zeigen ein drastisches Bild:
Die Industrie wurde wissenschaftlich fundiert als systemischer Eintragspfad identifiziert: Der wichtigste strukturelle Eintragspfad ist die gesamte Kunststoff-Wertschöpfungskette – von der Produktion über die Verarbeitung bis hin zum Recycling. Bereits primäres Mikroplastik Typ B entsteht bei der Nutzung von Kunststoffprodukten und wird direkt als Mikroplastik in die Umwelt eingetragen. Schon bei der Produktion und nicht erst bei der Nutzung des Reifens und Entstehung von Reifenabrieb.
Auch Kläranlagen sind ein zentraler Ort, an dem Mikroplastik ist die Umwelt gelangt: Was bisher als Erfolgsgeschichte galt, entpuppt sich bei genauer Betrachtung als Problemverschiebung. Obwohl moderne Kläranlagenüber 95 Prozent des zuströmenden Mikroplastiks laut einiger wissenschaftlicher Studien zurückhalten, emittiert jede Kläranlage trotzdem zwischen 93 Millionen und 8,2 Milliarden Plastikpartikel pro Jahr in Flüsse und Meere. Das zurückgehaltene Mikroplastik reichert sich im Klärschlamm an und gelangt über die landwirtschaftliche Nutzung wieder in die Umwelt. Und genau an diesen Stellen setzt die Theory of Change als strategisches Planungsinstrument für eine echte systemische Transformation an.
Theory of Change: Der Hebel für systemische Transformation
Die Theory of Change (ToC) ist weit mehr als ein Planungstool – sie ist eine Methode zur strategischen Wirkungsbeschleunigung. Die Grundidee der ToC besteht darin, im Rahmen eines systematischen Planungsprozesses die Voraussetzungen zu schaffen, um die beabsichtigten Wirkungen der geplanten Kampagne zu erreichen. Für Umweltprobleme wie Mikroplastik bietet sie drei entscheidende Vorteile:
- Systemisches Denken statt Symptombekämpfung
Ausgehend von einer übergeordneten Vision, die der Orientierung auf ein gemeinsames Ziel dient und im Team entwickelt wird, diskutieren Teammitglieder die dafür notwendigen lang-, mittel- und kurzfristigen Meilensteine ("Backcasting"). Bei Mikroplastik bedeutet das: Nicht nur die Entfernung aus dem Wasser, sondern die Vermeidung des Eintrags an der Quelle, die Schaffung neuer Wertschöpfungsketten und die Bewusstseinsbildung in Gesellschaft und Politik.
- Wirkungspfade identifizieren
Diese Meilensteine können wiederum in sogenannte Wirkungspfade – also Teilbereiche, in denen Veränderungen notwendig sind – geclustert werden. Für Mikroplastik-freies Wasser identifizieren wir folgende Wirkungspfade: Technologieentwicklung, Marktentwicklung, Pilot- und Leuchtturmprojekte, Zusammenspiel von Akteur:innen, rechtliche Rahmenbedingungen und Paradigmenwechsel.
- Iterative Anpassung und Lernen
Eine ToC ist besonders geeignet für komplexe Projekte und muss kontinuierlich evaluiert und angepasst werden, um Rückkoppelungs- und Nebeneffekte zu berücksichtigen.
Wasser 3.0: Theory of Change in der Praxis
Wir demonstrieren exemplarisch, wie eine durchdachte Theory of Change zur Wirkungsbeschleunigung im Mikroplastik-Bereich führt. Unser Ansatz zeigt alle Kernelemente einer erfolgreichen ToC:
Vision: Wasser ohne Mikroplastik
Wir liefern Hebel für Wasser ohne Mikroplastik durch verantwortungsbewusste Forschung, Impact-Technologien, Bildungsangebote & Kommunikation. Diese klare Vision definiert das Fernziel und schafft eine gemeinsame Orientierung für alle Stakeholder.
Innovativer Technologieansatz: Clump & Skim
Mit Wasser 3.0 PE-X® haben wir die erste filterfreie Verfahrenslösung für die schnelle, effiziente und kostengünstige Entfernung von Mikroplastik und weiteren Schadstoffklassen aus unterschiedlichen Wässern entwickelt. Nach dem Prinzip der Agglomerations-Fixierung (kurz: Clump & Skim) und durch die passgenaue Abstimmung von Materialien und Technologie für den jeweiligen Prozess, werden sämtliche Mikroplastikpartikel zu Partikelverbünden verklumpt - unabhängig von Polymertyp oder Wasserart. Diese Technologie revolutioniert die Mikroplastik-Entfernung: Das Verfahren basiert auf dem Einsatz von Hybridkieselgelen und ist ökotoxikologisch unbedenklich. Unsere Pilotanlagen laufen in Landau, auf Mykonos und in Industrien und entfernen täglich kiloweise Mikroplastik aus unseren Wasserkreisläufen. Sie schaffen dadurch echte Kreislaufwirtschaft durch Abwasser- und Abfallwiederverwertung.
Mehrdimensionale Wirkungspfade für mehr Wasser ohne Mikroplastik
Wir verfolgen systematisch mehrere Wirkungspfade parallel:
- Technologieentwicklung & -skalierung
Unsere Low-Tech-Anlagen und filterfreien Verfahren schneiden in allen Parametern deutlich besser ab als der Wettbewerb und können nicht nur in zentralen Abwasserreinigungsanlagen (Kläranlagen), sondern insbesondere auch innerhalb der Kunststoff-Wertschöpfungskette als Vorsorgemaßnahme kostengünstig implementiert werden.
- Datengrundlagen schaffen
Neuartige Fluoreszenzmarker und ein standardisiertes Verfahren für Probennahme, Probenaufbereitung und Mikroplastik-Analytik ermöglichen schnelle Datenbereitstellung. Während andere Studien noch immer auf veralteten Daten aus den 1970er Jahren basieren, liefern wir kontinuierlich aktuelle Messdaten.
- Kreislaufwirtschaft etablieren
Wasser 3.0 reuse beendet das lineare Handeln; aufbereitete Wässer und entfernte Agglomerate werden weiterverwendet. Abfälle, hierzu gehören auch die Mikroplastik-Agglomerate aus unseren Entfernungsprozessen, sind Wertstoffe, die beispielsweise in der Bauindustrie eingesetzt werden können.
- Bildung und Bewusstseinsschaffung
Bei uns geht innovative Wassertechnologie Hand in Hand mit anwendungsbezogener Grundlagenforschung sowie transformativen Bildungs- und Aufklärungsinitiativen.
Systemische Annahmen, externe Faktoren und Wirkungsbeschleunigung durch strategische Partnerschaften
Wir berücksichtigen kritische externe Annahmen: Die EU arbeitet an der Standardisierung der Mikroplastik-Messmethoden, jedoch sind die Regulation und Kontrolle nach wie vor unzureichend. Bis 2025 sollen erstmals UN-Grenzwerte für Reifenabrieb beschlossen werden. Klar ist: Die Abwasserbehandlung braucht Innovationen und langfristige Daten. Denn dann entstehen wirtschaftliche Chancen durch Kreislaufwirtschaft.
Ein Schlüsselelement unserer Theory of Change ist die strategische Zusammenarbeit mit verschiedenen Akteur:innen. Zum Beispiel entwickeln wir im EU Projekt UPSTREAM gemeinsam mit Van Remmen UV Technology innovative Lösungen für die Zukunft des sauberen Wassers. Im EU Projekt REMEDIES transferieren wir unsere Mikroplastik-Analytik und Entfernungstechnologie ins europäische Ausland.
Diese Partnerschaften ermöglichen:
- Skalierung der Technologie
- Politische Einflussnahme
- Wissenschaftliche Validierung
- Marktzugang und Akzeptanz
Unbedingt: Erfolgsmessung und Anpassung
Eine Theory of Change ist nur dann eine gute Grundlage, wenn sie kontinuierlich evaluiert und angepasst wird. Wir demonstrieren diese iterative Anpassung durch:
- Kontinuierliches Monitoring von über 700 Kläranlagenproben
- Gewässermonitoring an über 500 Probenpunkten
- Anpassung der Technologie an verschiedene Wassertypen
- Entwicklung maßgeschneiderter Lösungen für verschiedene Branchen
Lessons Learned: Theory of Change für Umweltherausforderungen
Unser Beispiel zeigt fünf zentrale Erfolgsfaktoren für die Anwendung der Theory of Change bei Umweltproblemen:
- Systemisches Verständnis entwickeln
Mikroplastik ist nicht nur ein technisches Problem, sondern ein systemisches, das Technologie, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft umfasst.
- Multiple Wirkungspfade gleichzeitig bearbeiten
Technologieentwicklung allein reicht nicht – es braucht parallele Arbeit an Regulierung, Bewusstseinsbildung und Marktmechanismen.
- Annahmen explizit machen und testen
Externe Faktoren wie politische Entwicklungen und Marktbereitschaft müssen kontinuierlich beobachtet und in die Strategie einbezogen werden.
- Partnerschaften strategisch aufbauen
Kooperationen mit Kläranlagenbetreibern, EU-Projekten und Forschungseinrichtungen beschleunigen die Wirkung exponentiell.
- Kreislaufdenken von Anfang an mitdenken
Thermische Verbrennung ist für uns, wenn überhaupt, die letzte Option. Nachhaltige Lösungen schaffen neue Wertschöpfung statt nur Entsorgung.
Ausblick: Von der Theorie zur systemischen Praxis
Eine wirkungsorientierte Herangehensweise bedeutet: Das Planbare planen, damit man umso flexibler sein kann, was aus der Praxis heraus entwickelt werden muss.
Die Theory of Change ist kein starres Konzept, sondern ein dynamisches Framework für systemischen Wandel. Bei Wasser 3.0 zeigen wir, wie strategische Planung, technologische Innovation und gesellschaftliche Transformation zusammenwirken können.
Für andere Umweltherausforderungen gilt: Die Theory of Change bietet eine umfassende Beschreibung und Darstellung dessen, wie und warum eine gewünschte Veränderung in einem bestimmten Kontext erwartet wird. Sie konzentriert sich insbesondere darauf, die "fehlende Mitte" zwischen dem zu kartieren, was ein Programm oder eine Veränderungsinitiative tut und wie diese dazu führen, dass gewünschte Ziele erreicht werden.
Der Schlüssel liegt darin, diese "fehlende Mitte" zu überbrücken – zwischen dem, was wir tun, und dem systemischen Wandel, den wir erreichen wollen. Mikroplastik-freies Wasser ist möglich – wenn wir strategisch denken und systemisch handeln.