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1. Mai 2023Oleg Zernikel packt an
13. Mai 2023Zwei Fragen - ein Blog: Wie entsteht Mikroplastik beim Waschen? Sind aktuelle Lösungen echte Lösungen unseres Mikroplastik-Problems?
Textilien aus synthetischen Materialien wie Polyester (PES), Polyamid (PA) oder Elasthan (EL) sind eine der primären Haupteintragungsquellen für Mikroplastik und Mikrofasern in die Umwelt.
Heute werden 60 bis 70 % der Kleidung aus synthetischen Fasern hergestellt und das Waschen dieser Kleidung macht schätzungsweise etwas 35 % des Mikroplastiks aus, das jedes Jahr weltweit in die Meeresumwelt gelangt und jedes Jahr zwischen 200.000 und 500.000 Tonnen entspricht.
Aktuell werden in allen Stakeholder-Ebenen verschiedene Strategien diskutiert, die in Kombination diese Eintragungsquelle minimieren sollen. Die Textilhersteller werden dazu angehalten, ihre Produkte nachhaltig zu optimieren in Hinblick auf längere Haltbarkeit, die Verwendung unschädlicher Chemikalien und Produktion innovativer Materialien aus recycelten und Naturfasern.
Auch Waschmaschinen-Hersteller, diverse Start-ups sowie zwei „Jugend forscht“ Gewinnerinnen haben in den letzten Jahren Ideen und Methoden entwickelt, wie der Eintrag von Mikroplastik in die Umwelt durch das Waschen synthetischer Kleidung verringert werden kann. Die Frage ist, brauchen wir es oder ist es nur ein weiterer Tropfen auf den berühmt berüchtigten heißen Stein?
In unserem Beitrag schauen wir uns die diversen Vermeidungsstrategien, ihre Effektivität und Benutzerfreundlichkeit genauer an. Wir geben Hinweise, wie man zu einer wirklich fundierten Aussage kommen kann, um Mikroplastikeinträge zu vermeiden und vor allem, nicht nur die Konsumenten in die Verantwortung zu nehmen (Nachrüstung der alten Waschmaschinen, Kauf neuer Waschmaschinen), sondern mehr die Produzentenverantwortung zu adressieren.
Wie entsteht Mikroplastik im Waschprozess?
Bei jedem Waschgang werden die Textilien mechanisch (Rotation, Reibung) und chemisch (Wasser, Waschmittel, Weichspüler) beansprucht. Dies ist nötig, um die Wäsche von Schmutz zu befreien. Jedoch lösen sich dabei auch jedes Mal hunderttausende Mikro- und Makro-Fasern und Partikel, die mit dem Abwasser in die Umwelt gelangen. Studien kommen dabei zu Schätzungen von 120 bis 700.000 Mikroplastik Partikeln pro Wäsche eines synthetischen Kleidungsstücks. Dies zeigt, dass die Menge an Fasern und Partikel, die pro Waschgang entstehen von vielen verschiedenen Faktoren abhängt, die teils auch miteinander wechselwirken. Das macht es schwierig, den Einfluss und Wirkungsgrad dieser Faktoren zu bestimmen. Die Textileigenschaften, wie Fasern, Eigenschaften des Garns, die Textilstruktur (offen oder geschlossen) und chemische Behandlung der Textilien spielen eine erhebliche Rolle bei der Faser- und Partikelfreisetzung.
Für einige Parameter während des Waschens konnten in Studien schon Aussagen getroffen werden, für einige andere widersprechen sich Studienergebnisse allerdings oder sind nicht konsistent. Generell kann aber festgehalten werden, dass durch höhere Waschtemperaturen (60 – 90 °C) und hohe Umdrehungszahlen (1200 – 1400 U m-1) die mechanische Beanspruchung und damit der Grad des Faserabriebs steigt. Der Einfluss von Waschmittel und Weichspüler ist hingegen nicht eindeutig und Studien kommen zu teils gegensätzlichen Ergebnissen. Es wird diskutiert, dass durch den gebildeten Schaum die Fasern geschützt werden und dadurch der Faserabrieb abnimmt im Vergleich zum Waschen ohne Waschmittel. Andere Studien hingegen fanden eine Erhöhung der Faseranzahl bei Verwendung von Waschmitteln.
Diese Unterschiede liegen zum einen in den unterschiedlichen Studiendesigns begründet, aber auch an der Komplexität durch die Anzahl verschiedenster Waschmittel und Weichspüler auf dem Markt und ihre (Wechsel-) Wirkung je nach Textileigenschaften, Waschprogramm und Waschparameter.
Welche Hilfsmittel gibt es, um den Austrag von vor allem synthetischen Mikrofasern und Mikropartikeln durch das Abwasser in die Umwelt zu minimieren?
Frankreich macht es vor: Ab 2025 müssen neu gekaufte Waschmaschinen mit einem Mikrofaserfilter ausgestattet sein. Die bisher auf dem Markt erhältlichen Filter unterscheiden sich dabei teils in der Handhabung und den Kosten für den Verbraucher. Je nach Maschenweite des Filters wird nicht immer alles Mikroplastik zurückgehalten. Es gibt außerdem noch weitere Produkte zur Verringerung und Vermeidung der Mikrofaserfreisetzung mit unterschiedlicher Effizienz.
Waschmaschinenfilter können extern an jeder haushaltsüblichen Waschmaschine nachgerüstet werden. Dabei wird das Filtersystem an den Abwasserschlauch der Waschmaschine angeschlossen. Es gibt Filter, die selbst gereinigt werden können, wobei der Inhalt im Restmüll entsorgt wird und Filter, die zum Recycling zurück an den Hersteller geschickt werden.
Letzteres hat den Nachteil, dass immer wieder neue Filter gekauft werden müssen. Es gibt außerdem die Möglichkeit, den Filter direkt in der Waschmaschine, im Waschmittelfach zu integrieren. Auch hier gibt es Modelle, die selbst gereinigt oder zum Recycling an den Hersteller geschickt werden können. Hersteller geben für ihre Waschmaschinenfilter meist eine Verringerung von Mikroplastik im Abwasser um die 90 % (80-99 %) an.
Es bleiben jedoch viele Fragen offen, zum Beispiel. welchen Einfluss solche Systeme auf die Lebensdauer der Waschmaschine haben, wie wirksam die Filter sind (der Filter wird unter Umständen nicht in jedem Waschprogramm genutzt), ob die Umweltkosten für die Herstellung und den Versand der Filter den Nutzen überwiegen und ob das gesammelte Mikroplastik ordnungsgemäß entsorgt wird.
Auch bei den Filterwirkungen gibt es Diskrepanzen in den Aussagen
Unabhängige wissenschaftliche Studien kommen zu teils anderen Ergebnissen mit großen Spannweiten für die Effizienz der Filter. Dies zeigt die Komplexität in Hinblick auf die relevanten Parameter als auch bei den unterschiedlichen Detektions- und Messmethoden der Studien.
Welche anderen Produkte gibt es?
Neben dem Filtern des Abwassers zur Verringerung der Mikrofaserfreisetzung gibt es Produkte, die die mechanische und/oder chemische Beanspruchung der Textilien mindern sollen und direkt in die Wäschetrommel gegeben werden.
Ein Wäschebeutel aus PET kann das Abbrechen von Fasern während des Waschens verringern und hält zudem abgerochene Fasern zurück, die im Hausmüll entsorgt werden können. Dies soll die Mikrofaserfreisetzung laut Hersteller ebenfalls um 80 bis 100 % verringern.
Cora Ball besteht aus mehreren Kunststoffringen, in die die Mikrofasern während des Waschens gelangen und dort verbleiben sollen. Diese Faserknäul können anschließend per Hand entfernt und im Hausmüll entsorgt werden. Der Hersteller gibt eine Effizienz von durchschnittlich 31 % an. Vermutlich werden also hauptsächlich größere (Mikro-)Fasern gesammelt, sehr kleine Fasern und Mikropartikel gelangen weiterhin mit dem Abwasser in die Umwelt. Zudem könnte der Ball empfindliche Textilien beschädigen und somit auch den Textilabrieb wiederrum erhöhen.
Vor kurzem kam außerdem ein Flüssig-Waschmittel auf den Markt, welches laut Entwickler den Mikrofaserabrieb um bis zu 80 % verringern soll. Unabhängige Studien zur Effizienz gibt es aktuell noch nicht. Über das genaue Wirkprinzip gibt der Hersteller keine Informationen, lediglich, dass das Waschmittel insbesondere für das Waschen bei geringen Temperaturen (20 °C) geeignet ist.
Es ist kompliziert....
Es gibt bereits einige kommerziell erhältliche Methoden zur Filtration von Mikrofasern und Mikropartikeln als auch zur Verringerung der mechanischen und chemischen Beanspruchung und des damit verbundenen Faserabriebs von Textilien beim Waschen. Allerdings sind diese immer mit teils sehr hohen Mehrkosten und Aufwand für den Verbraucher verbunden (z.B. für Wartung und Austausch). Außerdem erfassen die Filter möglicherweise nicht alle Arten und Größen von Mikroplastik, und aufgrund fehlender einheitlicher Testmethoden ist nicht klar, wie effektiv und effizient die Methoden tatsächlich sind.
Um die Auswirkungen von Waschmaschinenfiltern und -produkten in vollem Umfang zu verstehen, ist eine umfassende Lebenszyklusanalyse erforderlich, bei der die Herstellung, der Ressourcenverbrauch, die Effizienz, die Wartung, der Versand, das Ende der Lebensdauer (z.B. die Verbrennung von Filtern auf Kunststoffbasis) und die Entsorgung des aufgefangenen Mikroplastiks berücksichtigt werden. Auch wenn Waschmaschinenfilter die Menge an Mikroplastik, die in das Abwassersystem und insbesondere in den Schlamm gelangt, verringern können, sind sie keine umfassende Lösung für das größere Problem der Freisetzung von Mikrofasern und der Verschmutzung durch synthetische Textilien.
Und was ist mit der Mikrofaserfreisetzung bei der Textilherstellung?
Während die Mikrofaserfreisetzung aus synthetischer Kleidung durch das Verbraucherverhalten (Tragen und Waschen) im Mittelpunkt der Forschung steht, haben nur wenige Studien die Menge an synthetischen Mikrofasern untersucht, die bei der Herstellung von Textilien freigesetzt werden. Die kommunizierten Werte sind mit äußerster Vorsicht zu genießen.
Es wird jedoch davon ausgegangen, dass die Menge an Fasern, die während des Herstellungsprozesses, vor allem beim Trocknen, Bedrucken und Veredeln, freigesetzt wird, in der gleichen Größenordnung liegt wie in der Verbraucherphase. Während dieser Schritte werden die Textilien chemisch behandelt, gewaschen und getrocknet. Diese Prozesse sind abrasiv und führen zu einem hohen Anteil an lose-anhaftenden Fasern, die direkt in Gewässer und in die Umwelt gelangen, wenn das Wasser nicht aufgearbeitet wird.
Der Umfang der Wasseraufbereitung ist jedoch je nach Hersteller unterschiedlich. Einige Hersteller verfügen über eine eigene Abwasserbehandlung oder eine Kläranlage (die oft zwei bis drei Behandlungsstufen umfasst). Beide Methoden können zwischen 85 und 99 % der Mikrofasern entfernen. Eine Studie über Kläranlagen in China ergab jedoch, dass diese Anlagen immer noch bis zu 430 Milliarden Mikrofasern pro Tag freisetzen. Daher ist es notwendig, auch die Abwässer der Hersteller gezielt von Mikrofasern zu befreien.
Klarheit würde die Aufzeichnung des Mikroplastik-Footprints bringen. Dieser zeichnet die Mikroplastik-Einträge über den gesamten Lebenszyklus (von der Produktion bis zum end-of-life) auf. Mit Ihrer Unterstützung werden wir hierzu ein Forschungsprojekt starten.
Was braucht es für echtes nachhaltiges Handeln?
Um wirksame Maßnahmen zur Bekämpfung der Freisetzung von synthetischen Mikrofasern ergreifen zu können, sind wesentlich einheitlichere und zuverlässigere Daten über die Menge an Mikrofasern erforderlich, die auf den verschiedenen Stufen der Wertschöpfungskette freigesetzt werden - von der Herstellung der Textilien bis hin zur Verwendung und Entsorgung durch den Verbraucher, einschließlich eines besseren Verständnisses der Faktoren, die ihre Freisetzung und ihren Transport beeinflussen.
Es ist ein ganzheitlicher Ansatz erforderlich, der sowohl das Design und die Herstellung der Textilien als auch die Verwendung und Entsorgung berücksichtigt. Im März 2022 stellte die Europäische Kommission im Rahmen des Aktionsplans für die Kreislaufwirtschaft die EU-Strategie für nachhaltige und zirkuläre Textilien vor, die konkrete Maßnahmen vorsieht, um Textilien "haltbarer, reparierbar, wiederverwendbar und recycelbar zu machen und Fast Fashion, Textilabfälle und die Vernichtung unverkaufter Textilien zu bekämpfen". Dazu gehören drei Bereiche, um die Freisetzung von Mikrofasern aus Textilien zu verhindern: 1. Design und Produktion, 2. Gebrauch und Pflege und 3. Entsorgung und Recyclingprozesse.
Aufklärung und Verhaltensänderungen sind wichtige Komponenten, einschließlich einer Abkehr von Fast-Fashion, einer Anpassung der Waschgewohnheiten und der Berücksichtigung des End-of-Life-Managements. Weitere Erkenntnisse über die Menge an Mikrofasern, die aus Textilien freigesetzt werden, sind ebenfalls erforderlich. Hierbei ist die Entwicklung einer standardisierten Probenahme-Methode, innovativen Produktionsprozessen und eine Abwasserbehandlung notwendig, um Mikroplastik über den gesamten Lebenszyklus hinweg zu vermeiden und zu entfernen.
Was erforschen wir rund um das Thema Mikroplastik und Hotspot Waschmaschine?
Dazu haben wir unser Waschmaschinen Projekt gestartet, in dem wir die zugrundeliegenden Effekte systematisch untersuchen und Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Parametern aufschlüsseln wollen. Mit dem von uns entwickeltem Nachweisverfahren bestimmen wir die Menge an Mikroplastik.
Erst nach einer validierten und vollumfänglichen Datenerhebung und -auswertung ist es wirklich möglich, die Eintragsmengen zu kommunizieren und sinnvolle Hebel zur Vermeidung von Mikroplastikeinträgen in die Umwelt festzulegen.
Unsere vielseitige Alltagsforschung zu Fragen rund um Mikroplastikquellen, Detektion und Vermeidung können Sie mit einer Spende unterstützen.